Sonntag, 21. April 2013
Der Tod ist eine Endung - Kapitel 1 Absatz 10
Urlaub in Argentinien
Der zauberhafte Reigen des Vorabends hat sich in alle Winde zerstreut. Ich sitze, noch etwas angemattet von der gestrigen Kotzerei, mit Vincenzo auf der paradisischen Terasse, auf der man diesen Ort nur als Quell des Friedens empfinden kann.
Nachdem die zerstörerische Lebenskraft in meinen trauten Leib zurückgekehrt ist, durchwandert mich nun schon den ganzen Tag der Gedanke, besagten "Urlaub in Argentinien" anzugehen. Ob man vordergründig den neugewählten Papst wohl als Zugpferd für diese Unternehmung anführen könnte? Auf den Spuren des Franziskus, dem ersten Papst, der sich schon mal vor Gericht zu Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu verantworten hatte, durch die Folterkammern des argentinischen Militärs.

Meine Adressliste für Argentinien ist mehr als spärlich. Vincenzo wird mir über den ein oder anderen Kollegen von der Avanguardia Nazionale den roten Teppich bereiten für meine erste Anlandung in Südamerika. Meine Behörde dürfte das gehaltstechnisch fast als Inlandseinsatz betrachten, so eng wie die BRD zu Südamerika stand und wohl noch steht, wenn nicht alle Entchen schon gestorben sind, die damals, 45 und folgend, über den See geschwommen sind. Ich könnte mal auf ein Bierchen rüberfahren in die Kneipe "Bavaria" in La Paz, um zu sehen, ob von Klaus Barbies Nazischergen noch der ein oder andere rumhängt - tot oder lebendig, was hätten wir gelacht.

Um die Entscheidung zu beschleunigen, reicht mir Vincenco seine, ich finde, ausgeleiherte Makarov PB. Nach einem satten Klick, noch bevor die Patrone den Lauf verläßt, steht für mich fest, daß Argentinien ausreichend Informationen für mich bereit hält, um in der Sache "Dirty Castor" etwas mehr Durchblick zu bekommen. Auch für das Rotkehlchen hat sich hierdurch sozusagen eine Entscheidung gefunden. Wo vorher Vogel, sieht es nun aus als hätte sich Frau Holle mal so richtig ausgeschüttelt. Wie positiv sich doch solch ein Gefiederregen auf meine Einsatzfähigkeit auswirken kann.

Auch Agenten haben zuweilen einen Sinn für das Historische und so laufen vor mir die Bilder aus der südamerikanischen Nachkriegsgeschichte des Terrors ab. Könnte man doch mal für interessierte Touristen eine "Tortour Argentine" anbieten, auf der man auch mal, als Tortourist, einen Bungee-Sprung aus einer Transportmaschine wagt, um nachzufühlen, wie es den Gegnern, also Opfern des Vidal-Regimes, der bleiernen Zeit Argentiniens, so zumute war - so ohne Gummiseil.

Eine Terrorherrschaft mit den Methoden der französischen OAS aus Algerien und den geübten Händen der Eurofaschisten. Nicht ohne Grund mag der faschistische Ersteinsatz von einer Legion umgesetzt worden sein, die sich nach einem Flugtier der Anden benannt hatte, der Legion Condor im spanischen Bürgerkrieg, und der bisher letzte bekannte Einsatz unter dem Titel Operation Condor, im Lande des Vogels selbst.
Semantisch durchgängig, aber was will man auch von faschistischen Ganglien wie uns erwarten.
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Bergidylle - un sogno o bisogno
Zurück in der Bergspalte. Bergidylle?! Soviel wie man davon in einer Talsenke eben verspüren kann. Nachts ist davon nichts zu sehen, außer daß man nicht sieht, daß man eben nicht mehr in einer lichtverschmutzten Stadt ist. Also eher eine gefühlte nächtliche Talidylle.
Die Wald- und Flußgeister, verkrochen unter Stein, Moos und Laub, aus Angst vor den Dorfbewohnern. Wir kennen uns gut, die Geister, sprich die weiße Frau, und ich, doch wirkt sie nun etwas entmystifiziert, seit ich weiß, daß es sich um ein altes Straßenschild auf der anderen Flußseite handelt. Die (einzigen) Geister wohnen in uns selbst. Denn wenn man ganz genau hinhört, ist es eigentlich nur dies eigene Blut, das wallt. Einzig durchbrochen vom Knabbern eines Nagetiers, hoffentlich kein Holzwurm.

Nun, da fährt man auf der immer noch weltbekannten Hitler-Autobahn gen Süden und wer fährt auf der Überholspur im Gepäck, der Faschismus. Naturgemäß kam er ja aus dem Süden, aus Rom, aus der ehemaligen Zentrale Europas, dem Brüssel des Mittelalters (ich scherze), die sich auch Quell der katholischen Geißel schimpft. So weit soll es mich nicht treiben, in die Hände der Mafiosi, die ähnlich dem Faschismus auch wieder aus dem Süden kamen, nur diesmal etwas südlicher. Ob man da von einem Abschmelzen der Moralpole sprechen kann, gar einer amoralischen Polschmelze, die uns diese drei Monster ins Haus gebracht hat?

Der einzige Dorfbewohner hier im Niemandsland zwischen Süd und Nord, mein Nachbar, hat irgendwie einen Hänger: die deutsche Wehrmacht.
Ach, wie toll, haben ja alle studiert, der Göring und der Göbbels. Und so makellos, denn die bösen Aktionen kommmen ja alle von der SS. Ich mag ihn und will es deßhalb mal bei eindimensional belassen, als Malerei so schwarz-weiß wie die Naziuniformen selbst. Ich äußere mich lieber nicht über Stauffenberg, der es fast geschafft hätte, das deutsche Heldentum hinüber zu retten und den Nationalismus gleich mit, der es fast um ein Haar und ein Auge (eins mehr wär vielleicht nicht schlecht gewesen, oder eben auch nicht) geschafft hätte, das dritte Reich zu wahren Höhen zu erheben; während sie den Krieg weiterbetrieben hätten wie eh und je, nur vorübergehend gemeinsam mit den Amis gegen die Russen, und anschließend die ganze Welt. Diese räudigen Schwarzhemden, die sich auf ihrem Transport über die Alpen gen Norden braun zu färben pflegen. Das heilge römische Reich deutscher Nation hat nie aufgehört. Eine stabile Nord-Süd-Achse, nur unterbrochen von Verwerfungen durch die nordwärts drängende afrikanische Scholle.

Und die hiesigen Partisanen? Alles Faschisten! zumindest meinem Nachbarn zu folge. Na, wie soll das denn gehen? Die italienische resistance als faschistische Kontrabande gegen Hitler? Rotes Halsband, grünes Halsband, Hauptsache Waffe in der Hand und wie die Jäger im Wald rumhuschen. Das hat sich bis heute nicht groß geändert. Wollen wir mal hoffen, daß sie demnächst nicht wieder zu den Halstüchern greifen.
Da wär er wohl gewesen, der Humus für die Träume Stauffenbergs. Das mit dem Faschismus Mussolinis ging ihnen wohl zu weit, den Norditalienern, diesen Überläufern. Lieber mal die Wehrmacht in ihrem blütenweißen Hemden bewundern. Wer weiß, ob die SS nicht auch die Schamhaarrasur erfunden hat, ganz im Gegensatz zu den stark behaarten Schlägerbanden der Fascisti - mich würds nicht wundern.

Den Augenblick, den man nie vergessen und immer leben sollte, also jeden Augenblick, stets im Auge, fahre ich dahin, wo Beppo Grillo mit der Fünf-Sterne-Partei auf Anhieb 25% macht, und komme daher, wo die NSU, die man hier im Süden augenblicklick als schwarzen Terrorismus bezeichnenen würde, geboren wurde. Die NSU, eine Zelle, die mit Sicherheit nicht alleine lebt, wie Zellen eben gerne im Verbund arbeiten. Hier im Süden erinnert man sich wohl noch besser an jene Strategie der Spannung, die sich jener Zellen bedient hat, um die Bevölkerung in Angst und Schrecken und die Politik nach rechts zu versetzen. Bei so manchem kommt bei Namen wie Mussolini Action Squads, Nuclei Armate Revoluzionare, Ordine Nuovo, Avanguardia Nazionale und Terza Positizione noch der Rauch der Explosionen aus den Ohren. Der eine oder die andere legen vereinzelt noch Blumen an die Gedenkstätten der Opfer der Bomben an der Piazza Fontana oder dem Bahnhof von Bologna, dem Terrorhöhepunkt der 80er mit 85 Toten.

Die Züge 904 von Neapel nach Mailand und der Italicus-Express haben immer noch diesen metallischen Klang als sie aus den Gleisen springen.
"Italy, like South America, presents the physical and social conditions suitable for the development of revolutionary guerrilla warfare," the document began. "The national territory is crossed longitudinally by an uninterrupted chain of mountains . . . . It is easy to look to the interruption of rail communications through the two crossings of the Apennines by way of sabotage of bridges, viaducts and tunnels, thus achieving the economic paralysis of the state . . . . " Italy Troubled by the Twilight World of Terrorism on the Right, LA Times vom January 21, 1985

Der Rechtsterrorismus richtet sich bekanntlich ja niemals gegen den Staat, sondern stets gegen die Bevölkerung, der er die Verantwortung für die laxe Regierungsform anlastet, und deren große Teile eben zu minderwertig und falsch ge-gen-t, als daß sie ein friedliches Leben verdient hätten.

"To strike in a crowd has always been a characteristic of black terrorism, as opposed to the left-wing terrorism which has always chosen as its targets discrete symbols," they said. Italy Troubled by the Twilight World of Terrorism on the Right, LA Times vom January 21, 1985

Nicht so im Sehfeld segelt die Tatsache ein wenig um unsere Aufmerksamkeit herum, daß hier im Land der Orangen und der Polenta der so gepriesene Wahlsieg von Bersanis Linker um ein Haar, genauer gesagt, um ein 1%, fast ins Auge gegangen wäre und Berlusconi frivoliert hätte. Dies wird sich ändern, sobald Herr BungaBunga nach vermutlichen Neuwahlen dann doch italienischer Großmeister der politischen Kontinuität wird, worin sich wieder mal zeigt, daß man es in einem kriminellem System um so weiter nach oben schafft, um so blackmail-fähiger, um so erpressbarer man ist. Was will man aber auch erwarten von einem Patria in dem sich nicht einmal die Großbanken wie Uni Credit oder die Postbank Übersetzer leisten können. Im Land, das die Banken erfunden hat, nur eine Autostunde vom deutschsprachigen Raum entfernt, möchte man nicht vermuten, daß sich das deutschsprachige Menü wie folgt ließt:

"Wollen Sie folgenden Betrag beheben"
"Willst Du Dich zurückziehen"
"Willst Du Quittung"
"Nehmen Sie und die Geld in 8 Sekunden"

Merkt man dann doch wieder, daß man sich hier eben bei Ausländern befindet. Als terroni des Nordens bei den polentoni des Südens.
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