Das Thema Kolonialismus scheint nicht vergessen, aber doch verwischt. Um zu zeigen, daß wir eben doch die Erfinder des humanistischen Ideals und der Menschrechte sind, erfinden wir wie im Stakkato immer neue Wörter für das, was wir innerlich immer noch Neger nennen. Erst schwarz, dann farbig, schließlich Afroafrikaner, andersfarbig oder Inhabitant des Trikont. Im Grunde bleibt es ein unterentwickelter Neger.
So lehrt uns die Bundeszentrale für politische Bildung: "Demokratien werden unglaubwürdig, wenn sie sich nach außen hin nicht denselben Werten verpflichtet fühlen, die sie nach innen als verbindlich erachten: Frieden, Freiheit, Demokratie, Menschenrechte, Gleichheit und Recht auf individuelle Entwicklung. Die meisten dieser Werte liegen in Afrika noch immer im Argen. Deutschland kann zur Überwindung dieses Mißstands einen Beitrag leisten.""
Vermutlich ließe sich argumentieren, daß nur wir Europäer und Nordamerikaner durch unsere Geschichte des Massenmords und Genozids ein modernes Menschenbild und eine so ehrenwerte Form der Demokratie entwickeln konnten, daß es einzig uns vorbehalten ist, andere darüber aufzuklären und zu lehren, wie es läuft.
Wie dreist, wenn der derzeitige Präsident Tunesiens
Marzouki in einem Interview mit Julien Assange davon spricht, daß er sich von Personen im Weißen Haus lieber nicht erklären läßt, wie sich diese herrliche Demokratie nun auch in seinem Land einführen ließe.
Die westliche Welt entrüstet sich über den wachsenden chinesischen Einfluß in Afrika. China, das die Menschenrechte so wenig achtet wie ... wir? China, das nur daran interessiert ist, so viele Rohstoffe wie möglich, so billig wie möglich dem afrikanischen Kontinent zu entreißen.
Selbst das bundeseigene Sprachrohr für politische Bildung gibt zu bedenken, daß wir das eigentlich niemals anders gehandhabt haben:
"Vor ihrer Unabhängigkeit in den 1950er und 1960er Jahren war bis auf die Länder Äthiopien und Liberia der gesamte afrikanische Kontinent in den Händen europäischer Kolonialmächte. Die Kolonialisierung Afrikas blieb wie schon auch der Sklavenhandel ab dem 15. Jahrhundert nicht ohne Folgen für die weitere politische und wirtschaftliche Entwicklung des Kontinents. Um nur ein Beispiel zu nennen, in der kolonialen Epoche nahm die einseitige Ausrichtung der afrikanischen Wirtschaften auf den Export von Rohstoffen ihren Anfang und hat bis in die heutige Zeit den Entwicklungsprozess Afrikas erschwert. ... Solange die EU-Agrarpolitik weiterhin subventionierte Produkte auf den Weltmarkt bringt, die die heimische Produktion in Afrika verdrängen, ist auch nicht zu erwarten, dass die afrikanischen Länder von diesen neuen Handelsregelungen profitieren."
Bevor wir also unsere Reise Richtung Mali fortsetzen, wollen wir in den nächsten Tagen erstmal einen korrigierenden Blick in den Spiegel werfen, auf unser eigenes Erscheinungsbild in Afrika, auf eine ausgebleichte Fratze von Neid und Mordgier. Und wer möchte, darf als Hausaufgabe gerne schon mal im "Herz der Finsternis" von Joseph Conrad schmökern und sich Gedanken darüber machen, warum auf unseren Fahnen eigentlich abgehackte Hände wehen sollten.