Das Unrecht auf Abwertung und die Aufwertung des Anrechts
Und schon wieder die Kopftücher! Die Welt ist also eine Scheibe, oder eine Kugel. Auf jeden Fall nicht eckig oder nur eine Linie, sondern rund. Wenn das Leben auf diesem Planeten schon ein steiniger Pfad ist, dann ein Rundweg. Es ist, als wandle man als Zweidimensionaler auf einer Möbiusschleife. So wiederholt sich alles.

Einst verbreitet bei Piraten, aber auch Seemännern, am Bau und im Sport, wo Wind und Schweiß zusammentreffen, hielt sich die Tradition des Kopftuchs hier in Bayern vorwiegend bei Frauen der unteren Schichten und im ländlichen Bereich. Meine Großmutter wäre ohne Kopftuch niemals auf die Straße, nicht mal kurz zum Müll runterbringen. Am Bau und im Sport ist das Kopftuch noch vereinzelt zu sehen. Aber bei den züchtigen wie unzüchtigen Frauen hat sich etwas verändert.

Kaum schienen sie ausgestorben hier in Bayern, die letzten Dienstmägde, Unterdirn oder Mitterdirn ihres Standes, verschrumpelt wie ein 100jähriger Apfel, in ein Kopftuch eingepackt. Stets ein Kopftuch, weil offenes Haar eben unzüchtig ist. Darunter das Haar geflochten zu Zöpfen. Diese wiederrum geflochten wie ein Hefezopf oder eine trockene Breze. Als Hexe wären sie wohl nicht mehr verbrannt worden, aber in der Kirche in der selbst zu meinen Lebzeiten die Geschlechter noch schön getrennt links und rechts saßen, hätte das zu störendem Getuschel während der Andacht und Gemunkel über den Anstand geführt.

Verpackung wertet die Dinge scheinbar auf. Bei Geschenken, bei Nahrungsmitteln und eben auch bei Mitmenschen. 'Stell dir deinen Chef einfach mal nackt vor' sagt man ja, wenns Ärger in der Arbeit gibt. Aber ein nacktes Croissant in der Auslage ist heute mehr im Trend, als ein von mehreren Lagen Weichplastik umhülltes. Selbst in edles Papier von Schleifen umrankte Geschenke scheinen ihren Lebensabend gefunden zu haben - entweder weil die Geschenke inzwischen zu voluminös geworden oder auf Grund der modischen Konsumfeindlichkeit.

Bei dem weiblichen Geschlecht allerdings will das Verpacken scheinbar nicht enden. Kopftücher und Umhänge bis über die Knöchel finden wieder Anklang in einer Gesellschaft, der es egal ist, ob man in Jeans rumläuft, die schon die Fabriktore zerrissen verlassen, oder in Röcken, die noch nicht mal die Strapsoberkante erreichen. Egal ob Feinripp-Unterhemden oder Zobelpelz, weiß-besockt in Sandalen oder knallgelbe Radlhosen. Anything goes.

Und genau hier rein puhlt der moralbesetze Zeigefinger des abermals nicht sterben wollenden Monotheismus. Kopftuch als Modeerscheinung liebend gern, aber Kopftuch als Zeichen des Anstands und der Züchtigkeit des schwachen Geschlechts. Da rumort etwas im Bauchgefühl derjenigen, die die Endlosschleife mindestens einmal durchlaufen haben.

Denn Kopftuch, wie auch Schleier oder graue Umhänge, aus Gründen der Züchtigkeit tragen auch den Umkehrschluss in sich, dass wer sich anders kleidet unzüchtig oder gar gottlos sei. Schlampe, würde man mancherorts sagen. Unzüchtige erwartet nicht nur nicht das Paradies, sondern auch die schriftbedingte Mißachtung durch die Züchtigen. Heilige Schriften beinhalten eine Regelsammlung, wo man sich nicht aussuchen kann, welchem Teil man nun zustimmt oder auch nicht. Alles oder nichts, steht da geschrieben - zumindest wird behauptet, dass es irgendwo geschrieben stand, weil es irgendjemand gesagt hätte.

Du darfst dürfen, aber du sollst nicht müssen - schon garnicht, wenn man sich auf die zweifelhaften Deutungen überlieferter Schriften eines bärtigen Propheten aus dem 8.Jahrhundert oder einer früheren Kopie beruft. Feminismus beginnt bei den Frauen und er sollte niemals bei alten Männern enden. Hierin liegt auch das Problem des Kopftuchs als Ausdruck einer Ideologie.

Die Frage für mich ist: Durfte man meiner Großmutter das Kopftuch verbieten und/oder sollte man dem zölibatärem, monotheistischem Männerverein die mehr als zweifelhafte moralische Alleinherrschaft ein für alle mal absprechen? Sollte man nicht denen, die nicht mitspielen, endlich mal sagen, dass sie nicht mitspielen?


islamfanfaenger am 19.Jan 20  |  Permalink
Danke für Ihren Beitrag.
Ihrer Oma hätte man es nicht verbieten dürfen. Siehe Artikel 2 und 4 GG.
LG

einemaria am 21.Jan 20  |  Permalink
nebenbei
gesagt: gemeint ist hier nicht nur ein Teil des Monotheismus, nicht nur ein krankhaft eifersüchtiger Gott, der keinen anderen neben sich duldet, sondern jegliche Form der Alleinherrschaft und jeglicher Anspruch auf die alleinige Wahrheit in Religion wie Politik oder sonstwo.

lalol am 22.Jan 20  |  Permalink
Machtinteresse und Schönheitswahn
Mächtige Männer und schöne Frauen passen doch gut zusammen. Manch mächtigem Mann würde ich von Anfang an zu einer Verschleierung seiner Frau raten. Dann kann er sie austauschen, wenn er will, muss aber nicht. Um die Omnipotenz Gottes nicht zu gefährden ist einer Verschleierung zu zu raten. Wer will denn schon, das Gott aus den Wolken fällt?

einemaria am 23.Jan 20  |  Permalink
So so
Daß der große Bärtige aus den Himmelswolken purzelt, will natürlich wirklich niemand. Aber daß Sie prinzipiell zu Verschleierung raten, läßt tief blicken, meine Liebste.

islamfanfaenger am 23.Jan 20  |  Permalink
Steht sogar in der Bibel:)
In lalos Kommentar dürfen Sie aber gerne Ironie und Sarkasmus rauslesen...so habe ich es jedenfalls gelesen.
LG

einemaria am 24.Jan 20  |  Permalink
Meinen Sie
dass Prince Andrew das lieber besser verschleiert? Oder was steht in jener vieldeutigen Schrift?

islamfanfaenger am 24.Jan 20  |  Permalink
Ich möchte nicht wissen, was auf manch einer Insel oder hinter verschlossenen Türen getrieben wird. Je reicher und einflussreicher, desto abartiger scheint mir manchmal.

https://www.dailymail.co.uk/news/article-7595709/Prince-Andrew-joined-orgy-Jeffrey-Epstein-nine-girls-accuser-claimed.html

2. Timotheus 3, 1-5: „Das sollst du aber wissen, daß in den letzten Tagen schlimme Zeiten kommen werden. Denn die Menschen werden viel von sich halten, geldgierig sein, prahlerisch, hochmütig, Lästerer, den Eltern ungehorsam, undankbar, gottlos, lieblos, unversöhnlich, verleumderisch, zuchtlos, wild, dem Guten feind, Verräter, unbedacht, aufgeblasen. Sie lieben die Wollust mehr als Gott; sie haben den Schein der Frömmigkeit, aber deren Kraft verleugnen sie; solche Menschen meide!“

einemaria am 24.Jan 20  |  Permalink
Danke für Ihren Beitrag, obwohl Sie vielleicht gemerkt haben, dass ich eher der unzüchtigem altgriechischen Mythologie anhänge und dem Monotheismus gegenüber nicht besonders wohlgesonnen bin. Als wirklich großen geistigen Wurf der Moderne erachte ich Die Acht "Mit wärs wirklich lieber, du würdest nicht" der 2005 entstandenen Religion des Fliegenden Spaghettimonsters.

kuena am 24.Jan 20  |  Permalink
Danke für den Link. Werde den Tag hoite mal ruhig angehen lassen und später das ein oder andere Bier abschmecken.

lalol am 25.Jan 20  |  Permalink
Die Verschleierungstaktik war gar nicht so auf mich gemünzt, wobei mein Unterbewusstsein mir tatsächlich, des Öfteren, so manchen Streich spielt.
Das Bewusstsein hingegen dachte an die politischen Magnaten dieser Welt.
Mit Gott hingegen fällt mir eine Begegnung schwer, da seine Möbiusschleife sich, hingegen zu meiner, auf einer höheren Ebene befindet. Wie sollen wir denn da aufeinander treffen?
Um seine Omnipotenz nicht zu gefährden, kann er, meines Erachtens nach, niemanden neben sich gebrauchen. Darum die Idee der Verschleierung, ich stelle mir auch vor, was wäre, er würde ein Wesen aus einer anderen Religion oder Art hinreißend hübsch finden? Chaos in der Glaubensgemeinschaft.
Kein alter Mann, eher ein Kind, mit einem Spielball in den Händen. Wer sich das ausgedacht hat, lehnt sich wohl gerne an einem starken Mann an.
P.s. In puncto, Nudeln machen glücklich, nehme ich an, gehen wir absolut d`accord.

einemaria am 30.Jan 20  |  Permalink
Nudeln
und knudeln :-*