Die Wiesn bricht erneut über uns herein und man darf erwarten, daß sie von den meisten auch gefunden wird. Doch Vorsicht, denn rundherum lauern billige Plagiate. So das 'Wiesnzelt' am Stiglmaierplatz im eigentlichen Löwenbräukeller; ein Zelt im Keller mit der sinnigen Bezeichnung 'Laurent-Perrier Apres-Wiesn'. Selber schuld ist auch, wer sich auf die 'Züri Wiesn' am Bauschänzli verirrt, dann doch gleich ein edles Perlenbacher beim Lidl in der Fraumünsterstraße nebenan. Ein Perlenbacher, das so heißt, weil es seinem Namen eigentlich erst alle Ehre macht, wenn man es verschüttet.
Wer weiter weg will zum Saufen darf sich die Wiesn in Blumenau/Brasilien reinziehen oder Peking, Chingdao, Shanghai und so weiter und so fort. Unsere Empfehlung für Plagiatliebhaber ist dieses Jahr das von Bundeswehrsoldaten aus dem Boden gestampfte Oktoberfest am 3.Oktober in Kabul.
Wir wollen aber bei den traditionellen bayrischen Bierfesten in und um München verweilen. Inzwischen hat sich nämlich unter Bierkonsumenten die Kunde verbreitet, dass man auf dem Dachauer Volksfest (10. bis 19. August) schon mal bei besseren Temperaturen und zum halben Preis die Wiesnsaison einläuten und seine Trinkfestigkeit stärken kann.
Selbst ein Besuch des auf einem idyllischem Hügel gelegenen Städtchens lohnt sich, insbesondere durch die örtliche Kulturoffensive. Mit 300.000 Besuchern zählt das Dachauer Volksfest als kleiner Bruder des Oktoberfests, obwohl es trotz alledem weit hinter den jährlichen Besucherzahlen des Konzentrationslagers Dachau hinterherhinkt. Und das, obwohl es dort garkein Bier gibt und auch nur 19 Dachauer bei der letzten Europawahl für die NPD gestimmt haben.
Dahinter verblassen leider ein wenig die oft orginelleren Volksfeste des Hinterlandes. So das schon Ende Juli stattfindende
Glonner Dorffest, das bei der Dorfmeisterschaft mit verschiedensten Disziplinen wie Stoahebn, Fingerhakeln, Kegeln, Maßkrugstemmen, Masskrug- schieben und Bremswagen ziehen aufwartet, sowie ausgesuchten Kulinaritäten des Soldaten- und Kriegervereins.
Interessant daran ist, dass auf dem Glonner Dorffest (Landkreis Dachau/nordwestlich von München) das Grandauerbräu verköstigt wird, das eigentlich aus Grafing (Landkreis Ebersberg/südöstlich von München) kommt. Dort aber, in Grafing, findet um den 1.Mai herum das Grandinger Dorffest statt. Dieses wiederrum grenzt an die Gemeinde Bruck (LK Ebersberg), während Fürstenfeldbruck (genannt Bruck) im Westen Münchens liegt. Gleich neben der Gemeinde Bruck liegt die Gemeinde Glonn (LK Ebersberg, südöstlich Münchens), die nichts mit Glonn (LK Dachau, Gemeinde Markt Indersdorf) zu tun oder am Hut hat. Auch Lochhausen (Gemeinde Markt Indersdorf) hat nichts mit Lochhausen in München zu tun, die Gemeinde Moosach (LK Ebersberg) nichts mit dem Münchner Stadtteil Moosach und Baiern (LK Ebersberg) ist eben nur eine Gemeinde in Bayern. Die Gemeinde Emmering gibt es sowohl im Landkreis Fürstenfeldbruck als auch im Landkreis Ebersberg.
So spiegelt sich sprachlich der Westen Münchens im Münchner Osten wieder. Sollte man also die entsprechenden Volksfeste mit dem Navi anfahren wollen, lohnt es sich, einfach darauf zu achten, immer im Westen Münchens zu bleiben, um nicht versehentlich die billigen Kopien im Osten anzufahren. Einzig empfehlenswert wäre das Haager Herbstfest, wo die einzigartige Untertl Weisse, die vom
Bier Index mit Eierkuchenteig, Eischnee, Toffee oder leicht fauligen Äpfelnangeboten verglichen, angeboten wird. Leider fällt es 2019 aber aus.
Auf der Pasinger Vorwiesn (Stadt München) gibt es Kaltenberger Bier (Landkreis Landsberg), auf dem Eberberger Volksfest hingegen Hacker-Pschorr aus München. Und der Nachfahre des Oktoberfestgründers, die König Ludwig Schlossbrauerei Kaltenberg, darf sein Bier auf der weltberühmten Wiesn, die ja eigentlich zur Ehrung seines Vorfahren Kronprinz Ludwig stattfindet, nicht verkaufen. Die Verwirrung also ist groß und man darf nur hoffen, daß vor lauter Kopie das Orginal nicht untergeht im Sumpf der Auswürfe. Prost Mahlzeit ...