Die Zwetschgenrohrnudel
Weil ich mir dachte: Du kannst doch nicht immer bei Mumien, Analphabeten, Diebe mitessen! will ich mal eine über Generationen fortgeführte Tradition vorstellen: Die Zwetschgenrohrnudel.

Ich bitte Sie, ein Augenmerk auf die faschistoide Mehlspeisenkultur meiner Vorfahren zu werfen. Kein Abweichen von der Rezeptur, kein Experimentieren und bloß keine Haferflocken - die sind seit dem Krieg verboten. Die Frage von Zwetschge oder Pflaume stellt sich in Bayern nicht. Ich kenne nur Zwetschge oder Ringlo (Betonung auf o). Sei es wie es ist. Ich versuche des Rezept mal aus dem Stegreif, so wie auch ich es lernen musste.

Butter schon früh aus dem Kühlschrank, daß ER in der Sonne weich wird. Den Rand der Teigschüssel meiner Mutter mit Mehl auffüllen, während das Viertel Haferl Milch am Herd leicht angewärmt wird. Hefe kleinbröckeln und in die Schüsselmitte geben, nun ein wenig von der angewärmten Milch drüber (nicht zu heiß). Etwas Zucker in die Hefebrühe und den restlichen Zucker auf dem Mehlrand verteilen. Abdecken und warten bis die Hefe zu blähen beginnt.
Währenddessen die Zwetgschen vierteln (niemals Konservenfrüchte) und Zwetschgensaft aufheben. Jetzt die restliche Milch, ein Ei, die Rosinen und vielleicht zwei Brisen Salz in die Schüssel und schon kann das lustige Teigschlagen beginnen.
Ergibt sich schließlich ein luftiger Teig, Brett mit ausreichend Mehl bestäuben und den Teig in sechs Klumpen teilen. Diese schön plattgedrückt mit einer guten Menge Zwetschgen befüllen und einen Knödel formen. Wichtig! Immer noch ein bißchen von dem Zwetschgensaft dazuschütten und viel Zucker drüber, bevor man den Knödel nicht ganz verschließt.
Die Reine dick mit Butter bestreichen und die erste, leicht mit Mehl benetzte Rohrnudel mit der Knödelöffnung nach unten einsetzen, so daß sich der Saft später mit dem karamelisierten Butter vermischt. Wenn alle Rohrnudeln in der Reine sind, nochmal viel Butter über alles drüber. Die Rohrnudel lebt vom Butter wie das Grillferkel vom Bier.
.

.
Ich decke die Reine noch mit einem Deckel ab, daß die Nudeln nicht oben zu schnell anschwärzen. Und es gibt ihnen später, wenn sie sich bis in den Deckel pressen, die richtige Form. Bei etwas weniger als 200 Grad nun immer wieder dick mit Butter füttern, bis sie brühwarm auf den Tisch kommen. Ein großes Haferl fettreiche Milch und die heiße Rohrnudel darin kurz eintunken. So und nicht anders.


jean stubenzweig am 01.Okt 11  |  Permalink
Sogar ich
hatte in Bayern glückliche Momente. Zum Beispiel, als mir die Mutter einer bäuerlichen Freundin im lieblichen Voralpenland Rohrnudln wie oben auf den Tisch stellte und mir auch noch eine mit auf den Weg gab, auf daß ich unterwegs zurück nach München nicht vom Fleisch falle.

nnier am 01.Okt 11  |  Permalink
Ja fein! Hmm! Und das Haferl Milch dazu! Was aber ist eine "Reine"? Eine Porzellanform?

jean stubenzweig am 02.Okt 11  |  Permalink
Die Königin
der Brat- und Backformen.

Ich bitte um Entschuldigung für die Einmischung. Aber ich muß mein Wissen um Bayern und das Bairische schließlich irgendwie unterbringen.

einemaria am 02.Okt 11  |  Permalink
So ist es, danke. So heißt sowohl die längliche Backform, sowie meine Mutter ;) Letzteres konnten Sie nicht wissen.