Mittwoch, 12. Juni 2019
Containern in Zeiten von 5G
Liebe Luise, lieber Fritz,

ich wurde erst kürzlich gefragt, ob man das Containern nicht durch schärfere Gesetze in den Griff bekommen will.

Nein, sage ich. In Zeiten in denen man schon keinen Maibaum mehr entwenden kann, um ihn anschließend für einen Kasten Bier wieder einzutauschen, weil inzwischen jeder Krümel Besitz von einer Videokamera verteidigt wird. Wo sozusagen ein alter bayrischer Brauch an einem Überwachungswahn zu Grunde geht, da muss man überlegen, ob man nicht vielmehr durch einen Appell an das Gewissen und die soziale Mitverantwortung viel weiter kommt. Am Ende wird sonst auch noch die Videokamera mitgestohlen und in Ermangelung eines diesbezüglichen Brauchs auch nicht mehr zurückgegeben.

Mit ist ein Fall bekannt, wo ein junger Mann wegen Raub verurteilt wurde, nachdem er versucht hatte, Dinge aus einem Wertstoffhof zu entwenden. Raub wohlgemerkt, nicht Diebstahl. Ich kann mir schon vorstellen, dass in Zeiten, wo Rohstoffe zur Neige gehen, gerade der Begriff des Wertstoff-Hofes eine Verlockung darstellt. Mir ist nicht bekannt, ob er es auf die alten Batterien oder Stromkabel abgesehen hatte, oder erhoffte, die ein oder andere leicht beschädigte Gartenmöbelgarnitur aus den Wertstoffcontainern herauszuholen. Mir ist auch rätstelhaft, warum besagte Container nachts nicht verschlossen sind. Aber warum gleich in den Knast? Vielleicht hätte ja auch ein Tag Container schon gereicht oder einfach nur mal quatschen.

So denke ich, dass man an das doch noch vorhandene Restgewissen solcher Räuber und auch jener, die weggeworfenes Essen aus den Müllcontainern von Supermärkten entwenden, appellieren sollte, und nicht gleich mit Gefängnisstrafen reagieren. Man könnte sie mit den Opfern konfrontieren, um sie in die soziale Gemeinschaft wieder zurückzuholen. Vielleicht hatte der Noch-Besitzer des Mülls ja aus Versehen den ein oder anderen noch nicht abegelaufenen Joghurt versehentlich entsorgt und wollte ihn anderntags wieder herausfischen. Ich denke da auch an die dieses Jahr aus der Mülltonne des hochdotierten Künstlers Gerhard Richter entwendeten Skizzen. Müll ist nicht wertlos, wie sich zeigt. Selbst die Mafia würde das unterschreiben. Eine Welt ohne Müll - das will man sich garnicht vorstellen.

Zudem besteht offensichtlich ein Recht des Wegwurfs. UND denken Sie mal an die Leute in der Dritten Welt, denen wir dann unseren Müll rüber- und runterschippern, wenn die nur noch Ware aus Dritter Hand bekommen.

Ich bin mir sicher, dass ein Appell in all diesen Fällen viel mehr hilft als das ewige Strafen. Das zeigt doch schon unser Umgang mit der Börsenspekulation auf Lebensmittel, den Betrügereien in der Autoindustrie oder Immobiliengesellschaften, die ihre Wohnungen bis zur Unbewohnbarkeit hochsanieren. Wir sind dazu in der Lage, einfach mal Fünfe gerade sein zu lassen und soziales Mitgefühl durch Appelle und straffreie Kommunikation wieder hervorzubringen. Die Resozialisierung kann auch schon vor dem Knast stattfinden.

Liebe Luise, lieber Fritz, als Abschluss möchte ich das Zitat des Philantropen Bill Gates stellen: Mehr Miteinander als Gegeneinander.
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Freitag, 31. Mai 2019
Armut bekämpfen
ist wie für den Frieden zu kämpfen, wie für die Jungfräulichkeit zu vögeln. Ich schlage vor, Armut zu lindern, und wenn jemand wirklich etwas bekämpfen möchte, dann den Reichtum.

Man spricht davon, dass die Einkommensschere immer weiter auseinanderklafft, fast als hätte man sich damit ins eigene Fleisch geschnitten. Eine Wunde also, die verpflastert oder getackert werden sollte, zumindest aber versorgt.

Um eine ganz konkrete Lösung ins Spiel zu bringen, schlage ich vor bei der Schere zu bleiben. Diese lässt sich aus gutem Grund nicht weiter als 180 Grad öffnen. Das hieße: Bei einem Sozialhilfesatz inklusive Mietkosten und sonstigen Zuwendungen läge das unterste Einkommen bei rund 1000 Euro. Das multipliziert mit dem Koeffizienten 180 ergäbe 180.000 Euro Einkkommen im Jahr. Dazu käme noch ein nicht anrechenbarer Zuverdienst von 20.000 Euro und wir hätten die Spitzeneinkommensgrenze von 200.000 Euro im Jahr. Netto, wohlgemerkt!

Eine Menge Geld und eine absolut mehrheitsfähige Lösung. Wie das auch der der Telepolis-Artikel "Vermögensbeschränkungen oder Oligarchie" vom 7.Juni 2019 über Vermögensbegrenzung wiederholt.

Und wenn schon Schere, dann den Halsabschneidern.
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Montag, 20. Mai 2019
Uhrheberrecht auf die BitterBitterSchokolade
Hopp, hopp, noch schnell paar sinn- und sachentleerte Sätze ins Internet tacken, ehe das durchs europäische Parlament gewunkene

Uhrheberrecht

uns jeglichen Spaß verdirbt.

Ich könnte mir gut vorstellen, daß man bald auch fürs Rezitieren von Gedichten gleich paar Groschen los ist. Also noch schnell viel Text reinpacken, daß es nachher kein anderer mehr schreiben oder kopieren darf. Natürlich am besten Sachen, die dem Gegner noch nicht eingefallen sind.

Bierboarding

hatte ich ja bereits schon lange ge"claimt". Aber ab hier und jetzt ist es auch vorbei mit der

"Hakenkreuzfuge"

. Da darf der Dritte Weg oder die AFD betteln und bitten und sich die Knie wundscheuern, diese Wortschöpfung gehört jetzt mir und ich geb sie nicht mehr her. Auch der

"Orden der Fugenkreuzer"

ist integraler Bestandteil der hartenlinie. Ciao Roma ...

Für folgenden Einfall kam ich leider ein wenig zu spät:

Bis hier und ab hier 30. Grossartig! Ein wesentlicher Bestandteil für die Straßenverkehrsordnung. Ich wollte, es käme von mir.

Und noch eine zentrale Änderung meinerseits. Wie kann man nur den weltlichen Feiertag des 1.Mai, der an den weltbewegenden Haymarket Aufstand von 1886 erinnert, mit einem Namenstag für Sigismund, Arnold und Jeremias bekleckern. Weg damit. Dieser Tag gehört dem

"Heiligen Säkulus"

, dem Patron der hartenlinie.

Mit unserer Support-Kampagne für mehr Pünktlichkeit auf der Schiene

hatten wir ja bereits das Copyright auf

"Die Hoffnung fahren lassen"

. Aber ich glaube, den Satz schenke ich der Firma Tesla.

Nachdem Brasilien dem TÜV-Süd wegen einer falschen Plakette an den Kragen will, greife ich die Idee einer

"Stiftung Waffentest"

nochmals auf. Das hätte vielleicht schon zweimal einer Verteidigungsministerin von der Leiden aus dem grössten Schlamassel geholfen.
Für die Inanspruchnahme unserer Dienste gäbs als Werbegeschenk dann noch die

BitterBitterSchokolade

gratis dazu und die Welt sähe schon wieder viel rosiger aus.
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Freitag, 10. Mai 2019
Europa kotzt - ein Vorbericht zur Europawahl 2019
In der AZ hab ichs gelesen oder wie das Blatt gleich wieder heißt: München kotzt ist eine anonyme Künstlergruppe! Ich glaub, ich bin hier im falschen Stadion. Was heißt hier anonym?! Da schäumt mir gleich der Deckel über. Ich bin die Maria Becker von der hartenlinie und neben mir kippt sich der Kalle Bargeld grad das Bier über die Hose, daß man nachher nicht merkt, wenn er sich reinpisst. Und spätestens nach der fünften Hellen stösst noch der Noag, der Wirt vom Noagerlzelt mit uns an. Anonym? Anonym sind Menschen ohne Namen, wie der Bürgermeister von Bielefeld oder das belgische Parlament. Unsere Namen sind noch wirklicher als wir selbst.

Und Künstlergruppe, naja. Wenn man eine Trinkergemeinschaft so bezeichnen will, fehlt meines Erachtens ein wenig der Sinn fürs Synonym. Aber egal, das ist die trinkerische Freiheit und die Toleranz gegenüber Leuten, die auch mal nüchtern schreiben.

Bei München protzt würde sich keiner aufregen. Mit Bildern von Hermelinmänteln und 320 PS. Das käme dann in limitierter Auflage auf Hochglanz und für 30 Cent die Zeile. Wen das aber zum Kotzen bringt, wodurch meines Wissens noch nie irreversible Kollateralschäden enstanden sind oder sonstige Lebewesen zu Tode kamen, der kriegt dann noch eins über die Mütze gebraten als wär er ein Hornochse bei der Ochsenbraterei. In den elitären Boxen zählen eben andere Gesetze, umzäunt von Ordnern und Bretterverschlägen, daß man das dortige Gewusel an Gichtfingern nicht sieht, die unter den Bänken nach allem greifen, was bei drei nicht gleich auf den Tisch springt.

Aber was reg ich mich auf. Die AZ liest man im Grunde eh nur noch auf den elitären Rängen. Der Bürger von der Strasse informiert sich aufrichtigerweise im Postillion und wählt die Partei. In einer Welt, wo die Satire die Wirklichkeit schon lange überholt hat, wo man die Flasche receyclet bevor das Bier leer ist und wo man den demokratischen Scheinfrieden über den Benzinpreis zu regeln versucht, statt wie normale Menschen über den Bierpreis. Was soll man da noch sagen ... beziehungsweise wählen.
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Mittwoch, 17. April 2019
Ein grosser Tag für das Handwerk
sollte man sich entschließen, die Kathedrale von Notre Dame wieder aufzubauen. Eine große Herausforderung für Glaser, Maurer und vor allem Zimmermänner, die in einer Welt ohne Vollholz und Steinmauern nicht mehr viel zu tun haben. Man könnte fast glauben, es wäre ein Hilferuf des katholischen Gottes, dessen erdgewordener Sohn wohl auch Zimmermann gewesen sein soll, den man heute nicht mehr vor Pilatus, sondern höchstens noch vor das Insolvenzgericht zerren würde.

Mich wundert ein wenig, was die Presse in Zeiten der Stahlbeton-Glas-Architektur so ausspuckt. Als hätte man in den vielen Jahrhunderten nach der Errichtung dieser Kathedrale nicht immer wieder mal ein handwerklich interessantes Gebäude bauen können. Gehen Sie heute mal vor die Tür und suchen einen Erker oder einen Dachreiter. Selbst Dachstühle sind in Zeiten der Würfelarchitektur rar geworden, wo selbst ein Wetterhahn auf einem Flachdach nicht wirklich zu Geltung käme. Ein Rundbogen aus gehauenem Stein? Allerhöchstens die Kathedralen des Geldes werden heute noch mit dünnplattigem Marmor aus China verkleidet. Der Rest darf sich glücklich schätzen, wenn er zwischen verputzen Ziegeln wohnen darf und nicht begraben unter Betonplatten.

Der einzig brauchbare Beitrag, der mir im Internet untergekommen ist (wie so oft), lässt sich bei Don Alphonsos Rebellemarkt nachlesen, der ein wenig Licht unter die Kuppel des Herzens Europas dringen lässt. Im Grunde hätte es uns mehr gebracht, wenn Notre Dame der von den französischen Revolutionären umfunktionierte Tempel der Vernunft geblieben wäre, oder wie später ein Weinkeller, und nicht von geschmacklosen Hostien und ekelhaftem Messwein beseelt.

Wir von der hartenlinie bleiben da bescheiden und schlagen vor, den Rest auch noch einzureissen und darauf einen Biergarten zu errichten, um sich nach vielen Bieren, der Währung der Zukunft, weil man es nicht aufheben kann, des mentalen Widersinns gewahr zu werden.

" . .. ein aufheulendes Auto, das auf Kartätschen zu laufen scheint, ist schöner als die Nike von Samothrake ... Wir wollen die Museen, die Bibliotheken und die Akademien jeder Art zerstören ..." wie das am 20.Februar 1909 in Paris erschienene Futuristische Manifest von Filippo Tommaso Marinetti zu berichten weiß. Das möge man sich in diesem Biergarten zu Gemüte führen und mal nachsinnen, was für ein unüberwindlicher Hirnriß sich da aufgetan hat zwischen dem, was wir sagen, und dem, was wir tun. "Mögen also die lustigen Brandstifter mit ihren verkohlten Fingern kommen! Hier! Da sind sie! ... Drauf! Legt Feuer an die Regale der Bibliotheken! . ..", so Marinetti - einem hochaktuellem Manifest von vor mehr als hundert Jahren.

Frankreich trauert um eingestürztes Kirchendach, während es fleissig zusammen mit den Saudis den Yemen-Koflikt mit Waffen füttert und in Libyen General Haftar gegen Tripolis führt. "Wir wollen den Krieg verherrlichen — diese einzige Hygiene der Welt -, den Militarismus, den Patriotismus ..." schreibt Marinetti eben auch in seinem Manifest.

Frankreich trauert natürlich nicht um die vielen Augen, die es seinen Gelb-Westen-Bürgern mit Hartgummigeschossen aus der Augenhöhle schießt. Ebensowenig wie es - und mit Frankreich ist natürlich nur gemeint, wer ein saftiges Ein- und Auskommen hat - seinen darbenden Banlieues den ein oder anderen Franc oder Euro gönnt, während es nicht warten kann bis das Feuer aus ist, um schon hunderte Millionen an Spenden gesammelt zu haben, um ein abgebranntes Kirchendach wieder zu errichten.

Ich möchte auch darauf hinweisen, dass dieser Blogeintrag nicht ohne Grund unter der Rubrik "Die heilige Lanze brechen" läuft. Ich kann nur hoffen, dass es möglichst viele Reliquien mit in den Feuertod gerissen hat. Wie pervers, die Dornenkrone eines Gekreuzigten über zweitausend Jahre anzubeten, als wäre es das von der ersten Menstruation eingeblutete Unterhöschen der ersten Liebe. Und mögen auch die Knochen in den Gruften eingeäschert worden sein, mögen die Knochen Napoleons ihren ewigen Frieden gefunden haben, den er anderen nie vergönnt hat, daß wenigstens die ein oder andere Hirnzelle frei wird, um mal dran zu denken, daß sich ein gutes Leben nicht auf der Knechtschaft und dem Leid anderer errichten lässt. Und ein Kirchendach eben auch nicht.
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Freitag, 22. März 2019
Überwachung in Zeiten von Suckerberg
Zurück aus dem Wald hört mein Handy garnicht mehr auf zu vibrieren. 46 neue Nachrichten aus der digitalen Welt, von den Mails mal ganz zu schweigen. Kleine youtube-Schnipsel und wirklich unwichtige Aufrufe, sowie total überflüssige Nachrichten, wie die Meldung, dass Millionen von Passwörtern bei facebook unverschlüsselt auf den jeweiligen Servern rumlagern.

Ist Ihnen schon mal aufgefallen, dass alle Telefonzellen, die man uns gelassen hat, immer im Umfeld von Überwachungskameras stehen. Für etwaige Bombendrohungen, dass die Ex-Freundin mit ihrem Neuen nicht in den Urlaub fliegen kann, sind sie somit vollends ungeeignet.

Die Überwachung und die unter anderem daraus erwachsene Datensammelwut sollen uns das Gefühl vermitteln, ein gläserner Bürger zu sein. Das ist wichtig, weil der Glaube an einen alles sehenden Gott, der selbst die versteckteste Sünde straft, kaum mehr vorhanden ist. Das drohende Gefühl von Überwachung ist ja der eigentlich effektive Teil der Überwachung.

Ich denke, daß das Bild, das sich für einen Data-Suckerberg aus den Milliarden von digitalen Profilen ergibt, ein sehr fragwürdiges ist. Ein digitales Abbild, eine ganz schlechte Kopie aus Gedankenfetzen und verwaschenen Pixeln. Ein Abbild der dichter besiedelten Gebiete in 256 Farben und Grautönen, eine Kopie mit einer fast leeren Magenta-Patrone und einem schrägen Papiereinzug.

Man sieht, daß vorwiegend Buche und Hainbuche geschlagen wurde und denkt sich, daß das kein deutsches Brennholz sein kann, weil die Fichte fehlt. Aber wer könnte ahnen, dass selbst dieser überwacht wird, von Wanzen, die man nur mit dem Detektor Nase aufspüren kann. Von Ritter- und Plattwanzen.

Was für einen Eindruck mag man gewinnen, wenn man die Welt ohne Geruchs- und Geschmackssinn vor sich hat. Zudem auch nur zweidimensional. Einen wirklichen Brennwert hat diese Überwachung nicht.
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Mittwoch, 20. Februar 2019
Zeitlose Eilmeldung aus der Welt der Gladiatoren
Das muss ich jetzt noch schnell loswerden, solange die Videos und Worte noch online stehen, von Leuten wie Vincenzo Vincinguerra, einem der aktiven Zeitzeugen.

Sonst fällt es schwer zu verstehen, warum unter der Ädige der Nato Europa in den 80ern durch die Strategie der Spannung mit Bombenattentaten auf Zivilisten terrorisiert wurde. Und man bekommt dadurch ein Gespür warum das Oktoberfestattentat an ein Octobre Surprise für Franz Josef Strauss erinnert. Und wen wundert es da, dass momentan Massenmordspezialisten wie Elliot Abrams zum US Special Representative für Venezuela berufen werden. Und man denkt an den NSU und Amri und den Verfassungsschutz, die sich scheinbar fast besser kannten als so manche Familie intern.

Und man frägt sich letztendlich, ob der Terrorismus ohne die geheimdienstlich militärischen Strukturen des Staates überhaupt existieren könnte und vielleicht sogar vice versa ...
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Sonntag, 17. Februar 2019
Frühlingsausgabe
Wir machen die Zukunft möglich und die Vergangenheit besser. Wir ziehen der Zeit den Zahn und machen mehr aus ihrem Leben. Wir sind der Kleber für eine Welt in Scherben.
Wir decken morgens auf und abends ab - ein Magazin mit dem man gut über den Tag kommt und abends auch rechtzeitig ins Bett. In Reih und Glied marschieren die 80er Revue.

Demokratisierung der Gesellschaft - Arbeitsplatzsicherung - mad in Germany - Friedenssicherung - Terrorbekämpfung - der Schutz geistigen Eigentums - ein Herz für die Familie - ganz neue Herausforderungen und viel Liebe. Ein halbes Jahrhundert, der Plan bleibt der gleiche. Wir schaffen das.

Rote Karten, gelbe Westen, grüne Zukunft, eine Welt so rosig als hätte man zu lange heiß gebadet. Es lebt sich nicht so schlecht im Grab der Jugend der 80er. Alles ist gut.
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Montag, 21. Januar 2019
Ab in die Felsspalte
Hätte ich mein kleines schäbiges Kabuff nicht bereits vorsorglich nikotiongelb gestrichen, könnte man leicht erkennen, wie die Zeit vergilbt. So aber fühlt sich mein Leben an wie am ersten Tag.
Frühmorgens die Geburtswehen und dann das traumatische Austreten aus dem Uterus des Morpheus. Glücklicherweise folgt wenige Schockminuten später schon der mütterliche Kuß von Espresso und ner Kippe, der mich einigermaßen satisfiziert in den Horror grauer Wintertage hinüberbegleitet.
Ohne einen Blick aufs Thermometer erkenne ich am feuchten Rauschen der Winterreifen auf der Hauptstraße, daß einem heute nicht die sibirische Kälte die letzten Lungenfetzen aus der Brust reißt. Dafür wird es für die Gelenke um so naßkälter werden.

Heute gibt es Weltrettung in einem Aufwasch. Ich verlasse den mit Stadtratten gefüllten Geldsack. Mein Gemüt, schon ganz aufgehellt, scheint bereits die Wetterscheide Richtung Süden überquert zu haben. Jetzt muss ich meinen Körper nur noch hinterherbugsieren. Ab in die Felsspalte ...
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Mittwoch, 26. Dezember 2018
Ein Wunder .
Das Friedenslicht, die in der Geburtsgrotte zu Jerusalem am brennenden Herzen Jesu entzündete Flamme, wurde auch dieses Jahr wieder unter dem Motto "Eine Welt, eine Hoffnung: Frieden" in alle Welt hinaus getragen.
Die Rüstungsindustrie wird diese Botschaft natürlich nicht beglücken. Doch bei der Bahn scheint der Funken zumindest am Weihnachtsabend gezündet zu haben.
Wie die Saarbrücker Zeitung es titelt: "Heilige Nacht, pünktliche Nacht. Alle Züge sind schon da." Und zurecht bemerkt diese auch, daß die geplante Einstellung des Automatenverkaufs von Fahrkarten durchaus zielweisend sein kann.
Vielleicht käme man mit der kompletten Einstellung des Fahrkartenverkaufs auch aus dem Sackbahnhof der Kernkompetenz Unzuverlässigkeit heraus. Ganz nach dem vergessenem Beamtenmodus "Wer nichts tut, macht auch keine Fehler" hieße das, was nicht fährt, kommt auch nicht zu spät.

Die Bahn bleibt ein Wunder ... Punkt. Das strahlende Zukunftsmodell Deutschland ist beschmutzt, obwohl sogar der Kohlebergbau - zumindest unter dem Hambacher Forst - eingestellt wurde. Dieselwolken, der Zusammenbruch des Schienenverkehrs und vergessengeglaubte Gossenrethorik von der AFD.

Ohne Verkehrswende kommt die S-Bahn auch nie wieder von der Endstation zurück. Nein, ewiges Wachstum und endloser Fortschritt scheint das einzige Modell zu sein, das unseren Konsum am Laufen halten und die AFD von der Regierungsverantwortung abhalten könnte. Mit der U-Bahn bis nach Peking und weiter bis an den Strand von Karatchi, wo sie ihre Lebensleistung dann auch erbracht hat und von pakistanischen Schweissern gleich zum Containerschiff umgebaut tonnagenweise billige Winterstiefel wieder zu uns zurückschippert. Kein stupides Hin und Her, sondern ein Kreislauf um die ganze Welt. Italiensicher Yoghurt aus bayrischer Milch in Bechern aus England mit Deckeln aus Bulgarien verkauft von Amis. Und das Friedenslicht aus dem Nahen Osten. Wie sonst sollten Arbeitsplätze entstehen, wenn ich mir die Kartoffeln vom Acker nebenan hole.

Was wir in solchen Zeiten brauchen, ist ein Wunder ohne Punkt und Amen, eine Hostie-to-go zum Nachsalzen, lithiumfreie Autos mit humanisiertem Verdauungstrakt, einen Digitator und mehr Zeit zum Arbeiten. Das ist doch klar.

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Sonntag, 23. Dezember 2018
Trampen - in der Hauptstadt der Fortbewegung
Bei der heutigen Episode von "Auf Abgleisen" stimmt relotiusmäßig, ganz im süddeutschen Stil nicht alles. Die Personen sind erfunden, aber die Geschichte stimmt irgendwie. Fragen Sie den Streckenagent_M vom 22.12., den ich Ihnen nur wärmsten empfehlen kann, obwohl seit paar Tagen die Kundenreaktionen nicht mehr angezeigt werden. Ich vermute, weil es sich um russische Feindpropaganda gehandelt hatte.

Diesmal eine Probefahrt mit der nostalgischen Tram inklusive Geisterbahnfeeling.
An so was denkt man ja erst nicht, wo man eigentlich nur schnell mit der S-Bahn nachhause wollte, bevor der MVV den Betrieb einstellt. Mit einer von den ganz neuen sitzplatzarmen S-Bahnen, wo man wenigstens auf den neuen Bildschirmen mitverfolgen kann, was sie nicht alles hat und kann und wie sie sich theoretisch verhielte, wenn sie fahren würde.

Ich komme ins Träumen, wenn ich an die Neuen aus der modernisierten Flotte denke, wo man sich dieser Tage in familiären Eckplatzsofas zum Plausch trifft. Komisch, daß bisher nie das erwartete Bordbistrowägelchen vorbei kam. Mit dem neuen Migrationspakt der Bundesregierung sollen vermutlich fliegende Händler aus dienstleistungsstarken Dritt-Welt-Ländern angelockt werden, die jeden unvermuteten Zwischenhalt zum kulinarischen Abendteuer machen.

Im Grunde ist das ein weiteres Wunder des MVV, daß man sowohl bei den neuen Trambahnen wie auch bei den futuristschen neuen S-Bahnen bei so viel Platz so wenig Sitze einbauen kann. Jetzt passen endlich so viele Rollstühle rein wie Sitzplätze drin sind. Ist auch nicht gut fürs Kreuz, das ewige Sitzen. Da denkt endlich einer mit. Gut, bei den Vierersitz-Arrangements passen vier Leute drauf, aber leider ist kein Platz für acht Schuhe. Naja, irgendwo muss man auch mal sparen.

Die Begründung, daß wegen weniger Sitzplätzen das Ein- und Aussteigen und somit die Abfertigung am Bahnsteig schneller funktionieren soll, hinkt aus meiner Erfahrung in der Praxis etwas. Das ist, als würde man das Überschäumen eines geschüttelten Weißbiers dadurch verhindern, daß man dickere Flaschenhälse baut. Nun ja.

Doch dann werden wir voll tricky wegen Polizeieinsatz auf die Tram verwiesen. Im Tunnel ist tote Hose. Ich denke, das wird man auf längere Sicht schließen. Vielleicht ist es ein wenig übertrieben, wenn man gleich alle Passagiere der Linien S3,S4,S5,S6 und S8 auf eine Tramlinie umleitet, aber hey, wegen Spaßeffekt und Bürgernähe, die man ja auf den einsamen Sitzplätzen garnicht zu spüren bekommt, macht das dann schon Sinn.

Ich denk mir dummerweise, es handle sich noch um die Betriebsstörung von der Hinfahrt wegen polizeilicher Ermittlungen und hätte fast gewartet, ob nicht doch eine kommt. In Wirklichkeit waren es aber ganz aktuelle Personen im Gleis.
Hätten wir entgegen der Lautsprecheransagen nur eine Viertelstunde länger am Bahnsteig verbracht, wir wären um die halbsstündige Fahrt mit der netten bummsvollen Bummelbahn 19 betrogen worden. Die Personen blieben nämlich nur kurz im Gleis. Vielleicht sind sie ja nur drübergelaufen, um die Trambahn zu erreichen mit den vielen lustigen Leuten drin. Partytram - leider vorwiegend miese Gesichter drin, weil Ihnen scheinbar aufstößt, daß der Münchner Verkehrsverbund so was jetzt täglich anbietet. Miesepeter eben, wo man Angst haben muss, daß gleich einer statt das Geld aus der Weste die Gelbe Weste rausholt. Ich wundere mich, warum man überhaupt eine Stammstrecke gebaut hat, wo doch im Westen alles ganz prima mit zwei Trambahnlinien, 17 und 19, läuft.

Um das nostalgische Tram-Feeling auch besser zu treffen, handelt es sich natürlich nur in dem Sinne um eine beschleunigte Tram, weil beim Anfahren alle durcheinander purzeln. Wenn man nicht so dichtgedrängt stände, wärs echt lebensgefährlich. Bis ins Letzte durchgeplant die Sache, das merkt man in jedem Detail. Bei allen Ampeln hält sie selbstverständlich an, daß man was von der Umgebung sieht und wegen dem neuen alleatorischem Fahrplan (wie im vorigen Artikel erwähnt).

Besser könnt man es nicht machen, wenn man vorhat das Fahren mit den Öffentlichen attraktiv zu machen. Dieser außerplanmäßige Halt wurde Ihnen gesponsort von [Name einer Autofirma]. Revanchieren Sie sich bei uns mit dem Kauf eines Weihnachtsgutschein "Ich tanke Dir" für 50€, oder einem "Tankeschön" für 100€, und ähnliche Werbegags, das hat Pep und gibt München so einen agilen, nostalgischen Touch. Wie letztens werde ich fast schon melancholisch als wir nach einer halben Stunde Face-to-Face in Pasing eintrudeln.

Aber hey, nicht so beim Münchner Verkehrsverbund. Der legt für Ihr Geld (meins ja nicht) noch was drauf, denn voll geisterbahnmäßig hat er in Pasing auf allen Bahnsteigen der Öffentlichen das Licht und alle Anzeigetafeln ausgeschaltet. Spooky Döfi, die Lokomotive - ich habs kapiert. Da bekommt der Begriff Geisterbahn eine ganz neue Bedeutung. Das wird dann auch noch theatralisch gefördert, indem man keine Durchsagen macht. Kino der Extraklasse und wie jedesmal: für den ganz normalen Fahrpreis ohne Aufschlag. Ich bin beeindruckt. Leider konnte das der Streckenagent_M nicht dokumentieren, da er aufgrund der stromlosen Überwachungskameras in Pasing praktisch erblindet war.
Daß die Bahn so was nicht drauf hat, merkt man, weil bei denen noch die Lampen und Anzeigen brannten. Man kann nur hoffen, daß wenigstens mit deren Kameras ein paar Fetzen Filmdokument dieses Schauspiels der Nachwelt erhalten bleiben.

Seltsamerweise werde ich schon kurz darauf von meiner S-Bahn aus meinem "München, wie es vor hundert Jahren war"-Feeling rausgerissen, die neue S-Bahn ohne Sitzplätze, aber dafür so beleuchtet, daß man garnicht merkt, wenn mal eine ausfällt, weil die nachfolgende schon rüberleuchtet. Energiemanagment vom Feinsten.

Ich muß schon sagen, daß ich mich da ein wenig ärgere, wenn dann irgendwelche Krummhälse wie die Bayrische Eisenbahngesellschaft, alles ins Negative ziehen, oder spitzfindige Obernaseweise nicht verstehen, daß heutzuge Innovation und vor allem Transparenz gefragt sind, obwohl er bei der Betrachtung von Bahnübergängen den Grundgehalt der Hauptstadt der Bewegung das nötige Kunstverständnis an den Tag legt. Aber wer ist schon so perfekt wie der Münchner Verkehrsverbund.
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Mittwoch, 19. Dezember 2018
Auf Abgleisen - unterwegs mit der S-Bahn München
Mit der größten Erfindung seit der Diesel-Glühbirne versucht die Deutsche Bahn innovativ wie noch nie, sich einen Spitzenplatz in der Moderne zu erobern: dem aleatorischen Fahrplan.

Der @streckenagent_M haut wieder was aus der Postille zur aktuellen Betriebslage, denn alles liegt und nichts fährt. Darum heißt sie ja auch 'die stille Zeit', die die Deutsche Bahn mit ihrem Spruch 'Zeit für Dich' auf das ganze Jahr auszudehnen versucht.
Ich aber bleibe gelassen, seit ich meinen ehemaligen Arbeitgeber mal aus Kundensicht geniesen darf. Kein Bier mehr in der S-Bahn? Das war dann das berufliche Aus für mich. So habe ich endlich auch genügend Zeit, um mich auf das zeitintensive Abenteuer Öffentlicher Verkehr einzulassen.

Da hat man dann auch mal die Muse, sich genüsslich ein Satiremagazin wie Der @DB-Bahn reinzuziehen, wo man so überraschende Fakten gepresst bekommt, wie die vom kleinen ICE und seinen Freunden, die man dann in Kisten verpackt per DHL-Fracht verschickt, so daß die Bahn vielleicht sogar mal pünktlich ankommt. Schauen Sie selbst mal rein, ein echter Lacher. Die haben professionelerweise auch ein paar chinesische Bots, die hin und wieder mal den Herzchen-Button drücken, ganz in Gegensatz zum @streckenagent_M, der ein verbitteretes Leben in einer gehässigen Follower-Schar führen muss.

Dann ein überraschender Wechsel der Betriebslage zur Betriebsfahrt. Meine rote Bimmelbahn hat neue Kohlen eingeworfen - vermutlich meine 8,90€ - und nimmt langsam Fahrt auf. Die rostigen Weichen knarzen unter dem ruckelndem Gefährt. Zum Glück wird das alles durch die vielen vielen Überwachungskameras auf Film gebannt, sonst würde es keiner glauben, daß man noch im 21.Jahrhundert mit einem so nostalgischem Gefühl beschenkt wird beim Münchner Verkehrsverbund.

Vorbei am 'alten' Südbahnhof, wie verklärt saust die Böschung an mir vorüber und ich sehe Dinge, die ich in einem halben Jahrhundert München noch nie zu Gesicht bekommen habe. Ich wusste garnicht, dass es so etwas gibt: einen Münchner Halbsüden.

Wären wir in Leiden statt in München, dann könnte man den täglichen Wahnsinn fast als doppelbödig bezeichnen. So aber kotzt sich der Kundenpöbel #stammstreckenwitz mit so unflätigen Behauptungen aus, man solle doch mal nur Durchsagen machen, wenn alles normal läuft, wodurch man enorm Personal sparen könnte. Oder es schwirren ganz schräge Verschwörungen durch den Twitter, die behaupten, die S-Bahn wolle mit ihrer Leistungsverweigerung den Kunden auf die Straßenverkehr zurückdrängen, um der eigenen Überlastung zu entkommen.

Ich kann den Ärger garnicht verstehen. Die Nostalgische Stadtrundfahrt mit der Dampflok ab Ostbahnhof kostet sonst mit 16€ fast das Doppelte als ich heute für drei Stationen hin und zurück zahle und man sieht nur die Hälfte wegen des vielen Rauchs. Aber heute, wie eigentlich inzwischen fast jeden Tag, beschenkt mich der MVV mit einem elektrischem Triebwagen, der zwar auch nicht schneller fährt, dafür aber den neuesten Emissionsbestimmungen entspricht und wirklich ausreichend Gelegenheit bietet, die Landschaft und andere Schönheiten rund um die Stammstrecke zu erkunden. In einer 30er-Zone würde er garnicht auffallen. Er hält sogar viel öfter als er müsste.

Wir bremsen erneut und ich stelle mir vor, wie Lukas, der Lokomotivführer heraushüpft und mit seinem meterlangem Weichenstelleisen uns wieder auf das richtige Gleis führt. Vielleicht werden am Gleissaum sogar kostenlose Erfrischungsgetränke angeboten. Ich aber möchte mich nicht aus meinen Gedanken reissen lassen und ob des Gedränges wäre es vermutlich auch garnicht möglich, den ein oder anderen Ausstieg zu finden. Und schwupp, als wäre es ein Kinderspiel, geht ein Ruck durch den mich umgebenden Menschenberg, und unser Zug schiebt sich weiter, da taucht leider schon die verträumte Skyline des heldenhaften, 2013 für zwei Millionen sanierten Stellwerks Ost auf. Schade, denn hier endet meine Fahrt, wie auch für all die Tausend anderen, aus ungeklärter Ursache. Ganz leise, fast unbemerkt, kann man über die Lautsprecher den zeitlosen Schlager 'Mein Feld im Gleisbett' hören. Mein geliebter MVV, ein Traum, der ganz im Gegensatz zu diesem Kurzepos über Münchens berühmten öffentlich Verkehr nie zu Ende geht.

Demnächst auf ~Plus~Puls~, ihrem Magazin für die Nachrichten von morgen: "Bahnsteig-Hopping, das brandneue Keep-Fit-Programm des MVV"
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Freitag, 23. November 2018
Besinnliche Abende unter der Lawine
Herrje, ich habs mal nachgelesen, wie verträumt und sprachlich gewandt sich der Strom der Worte in früheren Blogjahren noch bewegen durfte.
Jetzt nur noch starre Gedankenblöcke, die ich hier abzuladen dankbar sein darf. Die lange Nacht des Kuhstalls, auf die wir ja gerade wieder zusteuern, was für ein schöner Titel. Weil ich mir die Geschenke dieser Tage ja selbst ausdenken muss und nicht mehr auf die Mithilfe des Christkinds zählen darf, muss ich mich mit Dingen wie Dreh-, Wechsel-, Stark- und Anlaufstrom herumschlagen. Hierbei möchte ich Ihnen den Begriff des Wirbelstroms nicht vorenthalten, der noch einen Hauch von Magie in sich trägt.Ich geh mal raus in die Zeit, schlag die aktuellen Sozialmedien zu und les mir nen Ast, über Stromarten, Holzbrennwerte, über alles eben, was man in einem verlassenem Tal zum zeitgemäßen Überleben so benötigt.

Ob es öde ist in dieser Abgeschiedenheit? Nicht im geringsten. Und besonders nicht, wenn man eingeschneit wird und die Strasse nicht passierbar durch vom Schneebruch entwurzelte Bäume. Die ersten Tage ist es ruhig und man schürt gemütlich den Holzofen, doch dann wird das Benzin knapp für den Generator und die Mobilfunkmasten senden kein Signal mehr. Im Funkloch weiß keiner, wann der Schneefall nachläßt. Wenn man von Schnee zugeschüttet wird, fängt das Gehirn erst an zu arbeiten, das sich sonst unter all dem aus latest news und Konsumgier fast schon aufs Sterben vorbereitet. Man bleibt erheblich gelassener, wenn man bei der Essensversorgung vorgeplant hat und die Wasserleitung nicht einfriert, weil irgendein Oberschlauer das laufende Wasser am Dorfbrunnen abgedreht hat. Termine sind dann natürlich auch nicht so günstig. Und sehr zu vermeiden, sind schwerere Unfälle oder ein schwerer Hexenschuss. Aber langweilig wird es nicht.

Wenn dann alles wieder vorbei ist, sieht es aus, als wäre nichts gewesen, und das Brennholz liegt abholbereit am Straßenrand.
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Dienstag, 20. November 2018
Fakir Nius - ein Leben gegen den Tag, auf dem Nagelbrett
Bing bing bing bing 08:05:03 bing bing bing schon wieder livestream. Wachsein ist nicht für jeden was Tolles. Zum Glück geht das nach gut 16 Stunden wieder vorbei. So muss sich meine Gehirnredaktion anschicken in den wenigen Wachminuten schnell und gezielt auf die veränderte Weltlage zu reagieren. Espresso statt langwieriges Kaffebohnenmahlen, ein Stück Schoko für den Zuckerhaushalt und los gehts - Weltrettung in einem Aufwasch.

Ich freue mich, sollte das Bargeld demnächst abgeschafft werden. Dann würde sich mein jetzt schon prekärer Alltag durch etwas Übergeordnetes erklären lassen. Gong 08:15:01 Imperium & friends schlägt wieder zu, in Hodeidah/Yemen und auf Kashoggi. Weltweit entblöst sich fundamentalistisches und rassisches Gedankengut ... und Round Up von Monsanto bleibt, schließlich haben wir es ja gerade gekauft. Wie lächerlich klein wirkt da ein von Neidern befeuerter Dieselskandal.

Die Uhrzeit stimmt, aber doch nicht das Jahr. Während der paar Stunden Schlaf muss der Planet durch ein Wurmloch zurückgefallen sein, zurück auf ein voriges Jahrhundert, als Völker- und Menschenrechte noch kein Thema waren und Schornsteine noch keine Filter hatten, als man in den Flüssen noch bleichen durfte und Europa von Stieren geraubt wurde.

Wenn man bedenkt, daß Rudolf Diesel pleite war als er sich über die Reling der SS Dresden stürzte oder gestürzt wurde, hätte man den Dieselskandal auch schon vorausahnen können. Benzin hingegen steht für Ortsteile in Wedendorfersee und Kritzow und für eine Oper von Emil Nikolaus von Reznicek, in der besagtes knapp wird für den Zeppelin-Kommandanten Ulysses Eisenhardt. Obwohl mir nicht bekannt ist, mit welchem Treibstoff das Luftschiff des Randolph St. Cosmo in Thomas Pynchons "Against the Day" lief, hätte man mit ein wenig Kombinationsgabe so einiges für den Alltag lernen können: "But the heavens and the earth, which are now, by the same word are kept in store, reserved unto fire AGAINST THE DAY of judgment and perdition of ungodly men."

Die seltsame Prämisse unserer Gesellschaftsordung, das Ewige Wachstum, hat eben einen gravierenden Denkfehler, den wir im Sternbild des Orion, dem großen Verführer, jeden Tag an uns vorüberziehen sehen, der geboren wurde aus einer Kuhhaut auf die die drei höchsten griechischen Götter gepisst hatten, um in Windeseile bis hoch in die Wolken zu wachsen. Als Jäger, der alle wilden Tiere töten wollte, gab ihm glücklicherweise zeitig der Skorpion den Todesstich.

Ewiges Wachstum und die Idee, daß der Bankräuber zumindest einen kleinen Teil zurückgibt, statt ihm alles wieder abzunehmen und ihn einzuknasten. Gnade vor Recht - wie ich vermute wegen der wenigen noch nicht der Automatisierung zum Opfer gefallenen Arbeitsplätze - durch das Bundesamt der Autoproduzenten. Wenn es doch nur nicht diese verfluchte EU gäbe, die sich scheinbar gegen unser wichtigstes nationales Erzeugnis, das Auto, verschworen hat.

Man kann nur hoffen, dass sich aus den Opfern dieses grandiosen Wachstums- und Bereicherungswahns, so sie genug geruht in ihren Gräbern, die fossilen Brennstoffe der Zukunft gewinnen lassen - menschliche Leiber als das Öl unserer Nachfahren. Gegen den Tag und gegen jegliche Vernunft. Zeit daß es Abend wird auf diesem unseligen Planeten und ich mich wieder meinen ganz persönlichen Alpträumen widmen kann. Pfiadi God, scheene Wäid!
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