Sonntag, 1. Dezember 2024
Litterae ex gravis

war is just annother way to say: I care for you

KHL-AO

Fett und satt im Land der Weihnachtsmärkte
Manche werden es mir oder dem Universum danken, dass ich keinen RSS-Feeder getriggert, oder mich sonst irgendwie digital veräußerlicht hätte. Ich danke den vielen Wenigen, die nicht wiederkamen und mir selbst fürs Wiederkommen. Die Bilder waren auch wirklich nicht besonders einladend. Das tut mir leid. So konnte ich heute einige Zeit ganz allein auf meinem Blog verbringen.

Und siehe da, da draußen, auch noch ein paar Aktive. Der Gute Schirmi, ein ein Schlückchen Bährenmarke, natürlichdas Faultier und geschüttelt, täglich neu gerührt . Ich glaube nicht, dass 2025 so viel schlimmer wird als 2024. Wir werden alle älter :-) Liebe und Frieden.

Folgendes Bild von der Wiesn 2024 hat mich erneut beschäftigt. Es entstammt der Wiesn-Zombie-Kunst und ist nicht von mir.

Sehen Sie den Schatten im Zentrum des Bildes, ein Engel, seinen Flügel links unten gegen den Sturm der Zeit aufgefaltet. Es ist Walter Benjamins Engel der Geschichte. Wir können sein Gesicht nicht sehen. "Seine Augen weit aufgerissen, sein Mund steht offen." aus Wolfram Eilenbergers Geister der Gegenwart. Er blickt zurück auf das Jetzt und sieht, was für uns nur eine Abfolge von Ereignissen mit der Zahlenfolge 2024, eine Trümmer anhäufende Katastrophe, vor sich, die Zukunft im Rücken. Ein im- oder explodierender Tanker, aus paritätischen Gründen russisch, hinabgezogen von Kabeln und Kadavern in die kulturellen Untiefen. Autokratisch väterliches Gehabe, die Rückbesinnung auf den Muskel (da kann Thomas Müller mal von Glück sprechen, dass seine Zeit bald vorbei ist), und weil Gender nicht gefällt, wird der Rest, der Feminismus, die Gleichheit vor Recht und Gesetz auf die Strasse gezerrt ... zur Begutachtung. Das hatten wir doch erst kürzlich, finde ich.
Die exakte Kopie eines Scheiterhaufens verbrannter Bücher.
Alles Gesagte kalte Asche. Der Tisch wird neu gedeckt.

Die Dialektik der Aufklärung, so Eilenberger weiter in seinem Buch, will wissen, wie es von der Aufklärung zum Dritten Reich kommen konnte. Sie sprechen hier von rückläufigen Momenten, die zur Selbstzerstörung der Aufklärung geführt hätten.
Inzwischen weiß man, dass Geschichte nach 3 Generationen komplett vergessen ist. Hätten die Römer Fußball gespielt, die Namen wären heute bekannt – das FIFA 2025 Rome Expansion Set.
Den Engel Benjamins, mit seinen aufgerissenen Augen, seinem Entsetzen darüber, zu was der Gebrauch des Daumens, der aufrechte Gang und die Fähigkeit zur Sprache und somit die Fähigkeit zu Wahrheit und Lüge bisher geführt hat, diesen Engel hat es nun bis zu uns getrieben. Und wir erfinden neue Monster und neue Waffen und neue Konflikte und neue Frontlinien, vielleicht gar nicht nur aus Gier, sondern einfach nur, um sich selbst nicht bewegen zu müssen. Wie die Wahrheit in Aesop, Fables 530 (from Phaedrus Appendix 5) stolz voranschreitet, während die Lüge kein Beine hat, d.h. sie kommt nicht weit.

Eines der interessantesten Interviews der letzten Zeit finde ich
Yuval Harari auf The Diary of a CEO. Er umschreibt unter anderem die Auswirkungen von Technologien auf unser Denken.
Wenn Sie schon mal LSD in einer hohen Dosierung erlebt haben, wissen Sie, dass man dazu einigermaßen mental gefestigt sein sollte. Wenn andere Dimensionen ins Spiel kommen, wenn ein Leberknödel sich im Raumzeit-Kontinuum zu einer neuen Lebensform wandelt, wenn plötzlich fixe Referenzpunkte wegfallen und keine alten Regeln mehr gelten, wenn plötzlich Saurier an der Tür klingeln, dann muss sich das Gehirn mehr anstrengen und manche werden schizo.

Wenn man unser Gehirn nun per Neuro-Link an eine KI anschließt oder an das Netzwerk eines Wasserwerks, oder wenn wir uns alsbald zu brain-pool-Parties treffen, unsere Gehirne zum Netzwerk zusammenschließen. Wir haben, so Harari, gerade mal die industrielle Revolution mit Ach und Krach überstanden, in uns im Grunde immer noch das Gehirn eines Höhlen- und Savannenbewohners, und rasen ohne Rast in ein rasant ansteigendes Überjahrhundert, das wir entweder tot oder als Halbandroid verlassen werden.

Ich weiß nicht, ob das was uns Guattari und Deleuze in ihrer Schizoanalyse erklären, mit dem im Zusammenhang steht, was ich mir dazu denke. Aber schizo passt einfach perfekt. Wir sehen nahezu mehr virtuelle Realität als reale. Es sieht aus wie Banane, schmeckt aber wie Erdbeere und ist vermutlich synthetisch. Meine Billig-Sommerschuhe heißen Mount Everest. Meine These:
Die Leute werden irre werden - ganz im Sinne von Deleuze und Guattari.

Wir sind die Gene, die es durch den Flaschenhals der Eiszeit vor rund 200.000 Jahren geschafft haben. Das ist ja schon mal prima. Wir sind so mindestens schon einmal über das Siegertreppchen gestolpert.

Unsere Fähigkeit, auch die industrielle Revolution irgendwie zu meistern, bewertet Yuval Harari in dem hervorragendem Interview auf Diary of a CEO mit der Schulnote 4. Und er betont, dass wir uns bei der nahenden Klimakatastrophe und der rasenden Entwicklung Künstlicher Intelligenz und Biotechnologie nicht nochmal eine solche Note leisten können. Nur wo sind die Lehrkräfte?

Vielleicht Bücher wie die „Krähen“ von Cord Riechelmann. Oder ein wenig Historie
Peter Neumann – Feuer – Eine Reise ins lange Jahrhundert der Utopien 1883 - 2020
Tobias Hürter – Das Zeitalter der Unschärfe – Die glänzenden und die dunklen Jahre der Physik 1895 -1945

Ich glaube nicht, dass das zeitgemäß ist. Viel wichtiger:

Es gibt ein weiteres Dokument aus der Wiesn-Zombie-Reihe zum gleichen Vorgang, das ich Ihnen nicht vorenthalten will.

Ist das nicht seltsam.

Ich denke, in einer Welt wie der kommenden wird man sich auf elitäre Nischen besinnen müssen. Als interessante Anlagemöglichkeit für nächstes Jahr habe ich da ein Restaurant für Gallenkranke im Zentrum Berlins im Auge, ohne mich jetzt aus dem vielleicht schon bald enteignetem Fenster zu lehnen. Eher so ein Pfiff um die Ecke, wie Walter Serner sagen würde.
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