Montag, 5. April 2021
Principia Discordia
Der Bahnsteig ist nicht mehr so voll wie in den Tagen prä-Corona. Das ist gut. Es ist fünf vor zwölf, also sieben, im Jahre 3187 des erisischen Kalenders nach der Principia Discordia, und somit das Jahr 9 im Jaktober Kalender. Das Jahr 9 post Maya sozusagen. Mir brennt die Zeit auf den Nägeln, während für die Mayas und andere die Welt schon untergegangen ist, bzw. sie selbst.

Es ist eiskalt und die S-Bahn gefühlt noch verspäteter als eh schon. Und das im diskordianischem Monat der Zwietracht. Das ist schlecht.
Endlich fährt sie ein, die hochmodernisierte, verspätete S-Bahn. Die Türen öffnen sich - neuerdings mit so viel Gepiepe und Neonlichtern, dass man das Gefühl bekommt, man betrete einen Nachtclub - ich steige zu.
Plötzlich überkommt mich das Gefühl, dass ich auf allen Sitzen gleichzeitig sitzen möchte, nicht etwa um möglichst vielen anderen einen Platz wegzunehmen, sondern aus einem kleinkindlichem Gefühl der Allmacht heraus. Es zerreisst mich förmlich, da ich mich selbst nicht teilen kann. Autozentrismus hat bei uns in Deutschland, dem Land der SUV-Egos, leider eine neue Bedeutung bekommen. Aber sagen wir, es ist ein Gefühl der abhandengekommenen Allmacht. Man war alles und fühlt sich nun als wenig, als Rädchen in einem Computer.

Vielleicht widerspreche ich da der Quantenphysik, aber ich kann den Zustand der Ubiquität trotz aller innerer Anstrengung einfach nicht erreichen, während andere da viel näher dran sind. Ich denke da an Jugendliche, die offensichtlich eine andere Lebensform darstellen als wir Erwachsene. Auf einem der Vierersitze sehe ich vier Jugendliche, die sich so unähnlich als stammten sie von 16 Vätern und Müttern. Zwei Haushalte? Dass ich nicht lache. Aber schlau, denn wer heute noch ungestört feiern möchte, füllt sich das Bier in hippe Clean-Cantene-Aluflaschen und säuft sich durch den öffentlichen Berufsverkehr, dem letzten Ort wo Massenzusammenkünfte noch möglich sind.

Ich kann es ihnen nicht verdenken. Wir bestehen fast nur aus Wasser und so verhalten wir uns auch im Falle von Schlupflöchern wie Wasser. Ich würde sagen, das Wasser bestimmt den Geist ('panta rhei' wie man bei uns im Wirtshaus zu sagen pflegt).

Wie hat sich diese ubiquitäre und doch so junge Lebensform auf unserem Planeten nur entwickeln können? Man könnte gut und gerne glauben, sie wurde von uns selbst gezüchtet. Gezüchtet durch mediale Umformung des Geistes. Durch werbistische Dauerberieselung. Durch die kapitalistische Propaganda, die das Du zu einem Ich gemacht hat. Wo jeder 'different', indem alle das gleiche kaufen, wo Durchsetzungsvermögen und Individualität zum Heros ernannt, wo man mit Menschen auf der ganzen Welt kommuniziert, weil man gelernt hat durch die Umstehenden hindurchzusehen.

Wer heute noch nicht auf dem Mount Everst war, hat einfach nicht gelebt. Das Wort Hauptschulabschluss kam in diesen multinationalen Kampagnen nie vor. Wozu auch? Profit lässt sich damit nicht machen. Und dass er sich nicht so abhängt fühlt, haben wir ihn in Mittleren Schulabschluss umbenannt - den kleinen Bruder des Mittelschulabschlusses. Man kann die Dinge auch gutreden. Das scheint zu funktionieren. Ich zitiere aus der berühmten Merkel-Rede auf dem Anne-Will-Podium: "Es wird dazu kommen, dass wir das Richtige tun." Das potenziert die Dreistigkeit, sich für die Idee von einem ruhenden Gründdonnerstag zu entschuldigen. Im Grunde freundlich, wenn sie Die Welt eine 'rethorische Wanderdüne' nennt.

Den staatlichen Bildungsauftrag wird man unter diesen Umständen privatisieren (müssen) wie man das mit der Grundversorgung fast schon durchgezogen hat. Dafür hat Politik keine Zeit mehr. Das lohnt auch nicht, es selbst zu tun. Verhökern was geht und solange es noch geht. Oft hat man nur 4 Jahre, um sich zur ParlamentarierRente noch einen Sitz in einem Aufsichtsrat oder einen Beratervertrag hinzuzubasteln.
Warum dieser Aufschrei beim FFP2-Maskenskandal, so passend zum entfallenen Faschingsfest? Das sind doch 'Peanuts'. Was heute politisch noch lohnenswert scheint, ist der Waffenhandel mit all seinen Provisionen und Kickbacks. 60 Panzer und die größte Heckler&Koch-Waffenschmiede ausserhalb Deutschlands für Saudi-Arabien. Da rechnen sie mal wieviel paar Prozente Provision ausmachen. Das lohnt. Und da - wer hätte es gedacht - kommen nun die echten Profis ins Spiel. Leute, die sich lange mit diesem Thema beschäftigt hatten - die Mörder der Friedensbewegung, die Grünen. (siehe Abstimmungsverhalten der versch. Parteien)

Menschen, die inzwischen so ausgelaugt sind von den endlosen Diskussionen einer Basisdemokratie, dass sie endlich ihre ehemals verhassten Vorväter verstehen und den persönlichen Pragmatismus entdecken.
Deutschland wählt nun die Verbotspartei. Man kann nämlich das maßgeblich 'Gute' auch herbeiverbieten (ein wirklich zukunftssicheres Wort). Verstehen Sie mich oder die kommenden Grünen nicht falsch. Ich bin mir nicht sicher, ob Besitzstandswahrung im grünen Regierungsprogramm vorkommt. Aber wenn man in Solarpanelen und Lithium investiert hat, wenn man selbst ein subventioniertes E-Auto sein Eigen nennt, dann wäre man geradezu blöde, wenn man von heute auf morgen sich den Stromhahn zudreht und Kohle oder Atom abschaltet. Das ist mit Verbieten nicht gemeint. Der Hambacher Forst, gerade mal Lebensraum genug für einen halben Wolf, ist damit auch nicht gemeint. Warum wäre Daimler auch sonst drittgrößter Spender der Grünen? Übertroffen vom Gesamtverband der Arbeitgeberverbände der Metall- und Elektroindustrie und gleich folgend Allianz und Munich Re.

Verbieten wird man Ideologien und Worte. Die Anderen will man verbieten. Nazis, Uiguren-Schlächter (vergiss Tibet und die vorangegangene koloniale China-Politik Europas), Nawalny-Töter (äh, wie war das mit Julian Assange, Herr Habeck?), und Leute, die nicht wissen was LBGT*& heisst, oder die dachten bei (m,w,d) würde das d für 'das' stehen. Und dass einem bei all dem Gutmenschentum das Feindesbild nicht verlorengeht, gibt man der AFD mit Parolen wie 'Keine Grenzen' oder 'Kein Mensch ist illegal' noch mal einen richtigen Boost. Das drückt dann auch fleissig das Lohnniveau und auf dem Wohnungsmarkt wird es nochmal etwas enger. Es sorgt für einen Brain- bzw. vor allem Muscle-Drain im Trikont, wo der Rest gerne weiter dahinvegetieren kann. So bleibt das Kajakfahren in Thailand für Herrn Hofreiter noch erschwinglich.
Die Lebensbedingungen der Fluchtregionen regeln wir dann mit der Bundeswehr. Wie gut das läuft, hat uns nicht nur unser Bündnisparter, gods own country, gezeigt. Wir durften selbst die Erfahrungen machen in Jugoslawien, Irak und Afghanistan.

Und mir war immer klar, dass es zwei Wege gibt, mit politischen Falschdenkern umzugehen. Man kann mit Ihnen reden oder man kann 'Nazis töten'. Aber umerziehen das ist dann doch sehr langwierig und es hat so ein uigurisches Gerüchle. Wie das alles klappen soll, ist mir rätselhaft.

Ich bin dann doch ganz froh, dass ich als alter weisser Mann trotz meiner Körperfülle noch ganz gut auf einen einzigen Sitz passe. Ich hoffe inständig, dass die Überwachungskamera vermutlich noch nicht meine Gedanken lesen kann, als ich die Viererbande friedlicher Jugendlicher betrachte und mir denke, dass sie, im Gegensatz zu mir im jugendlichen Alter, vor lauter Instagram garnicht auf den Gedanken kämen, einen der Feuerlöscher unter den Sitzen zu entwenden. Mir ist nur nicht klar, warum die jüngeren Menschen immer größer während die Sitzgelegenheiten immer kleiner werden. Das ist im Gegensatz zur aktuellen politischen Lage ein echtes Mysterium.

Jedes Menschenleben ist wichtig, heisst es neuerdings von Seiten der Corona-Regler. Ich denke leise in mich hinein, dass das bei staatlichen Regelungen hinsichtlich der Zucker- bzw. ihrem Subunternehmen Lebensmittelindustrie, der Autoindustrie und den anderen wirtschaftlichen Zweigen irgendwie vergessen wurde. Das Virus hat keine Lobby - das ist offensichtlich. Eine der kommenden Mutationen wird auch noch die Politiker schmieren, das ist sicher. Obwohl - ich versuche auf keinen Fall misstrauchisch zur Überwachungskamera hochzublicken und denke nochmals leiser - so ein Ausdünnen der Gerontokratie ... . Beim Aussteigen schenke ich der jugendlichen Viererbande noch 60 Euro. Einerseits um ihr mathematisches Interesse an der Division zu wecken und andererseits als Zukunftsinvestition. Sollen sie sich doch ihre Blutgruppe, eine sechsstellige Zahl oder die Abo-Jahreskarte auftätowieren lassen. Für Kondome, das fand ich dann auch ohne Soutane zu missverständlich, obwohl es aus malthusianischer Sicht durchaus zielführend gewesen wäre. Ihre Meinung ist mir eh wurscht, aber vielleicht läuft die Überwachungskamera ja auch mit Ton.

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