Mittwoch, 12. Juni 2019
Containern in Zeiten von 5G
Liebe Luise, lieber Fritz,

ich wurde erst kürzlich gefragt, ob man das Containern nicht durch schärfere Gesetze in den Griff bekommen will.

Nein, sage ich. In Zeiten in denen man schon keinen Maibaum mehr entwenden kann, um ihn anschließend für einen Kasten Bier wieder einzutauschen, weil inzwischen jeder Krümel Besitz von einer Videokamera verteidigt wird. Wo sozusagen ein alter bayrischer Brauch an einem Überwachungswahn zu Grunde geht, da muss man überlegen, ob man nicht vielmehr durch einen Appell an das Gewissen und die soziale Mitverantwortung viel weiter kommt. Am Ende wird sonst auch noch die Videokamera mitgestohlen und in Ermangelung eines diesbezüglichen Brauchs auch nicht mehr zurückgegeben.

Mit ist ein Fall bekannt, wo ein junger Mann wegen Raub verurteilt wurde, nachdem er versucht hatte, Dinge aus einem Wertstoffhof zu entwenden. Raub wohlgemerkt, nicht Diebstahl. Ich kann mir schon vorstellen, dass in Zeiten, wo Rohstoffe zur Neige gehen, gerade der Begriff des Wertstoff-Hofes eine Verlockung darstellt. Mir ist nicht bekannt, ob er es auf die alten Batterien oder Stromkabel abgesehen hatte, oder erhoffte, die ein oder andere leicht beschädigte Gartenmöbelgarnitur aus den Wertstoffcontainern herauszuholen. Mir ist auch rätstelhaft, warum besagte Container nachts nicht verschlossen sind. Aber warum gleich in den Knast? Vielleicht hätte ja auch ein Tag Container schon gereicht oder einfach nur mal quatschen.

So denke ich, dass man an das doch noch vorhandene Restgewissen solcher Räuber und auch jener, die weggeworfenes Essen aus den Müllcontainern von Supermärkten entwenden, appellieren sollte, und nicht gleich mit Gefängnisstrafen reagieren. Man könnte sie mit den Opfern konfrontieren, um sie in die soziale Gemeinschaft wieder zurückzuholen. Vielleicht hatte der Noch-Besitzer des Mülls ja aus Versehen den ein oder anderen noch nicht abegelaufenen Joghurt versehentlich entsorgt und wollte ihn anderntags wieder herausfischen. Ich denke da auch an die dieses Jahr aus der Mülltonne des hochdotierten Künstlers Gerhard Richter entwendeten Skizzen. Müll ist nicht wertlos, wie sich zeigt. Selbst die Mafia würde das unterschreiben. Eine Welt ohne Müll - das will man sich garnicht vorstellen.

Zudem besteht offensichtlich ein Recht des Wegwurfs. UND denken Sie mal an die Leute in der Dritten Welt, denen wir dann unseren Müll rüber- und runterschippern, wenn die nur noch Ware aus Dritter Hand bekommen.

Ich bin mir sicher, dass ein Appell in all diesen Fällen viel mehr hilft als das ewige Strafen. Das zeigt doch schon unser Umgang mit der Börsenspekulation auf Lebensmittel, den Betrügereien in der Autoindustrie oder Immobiliengesellschaften, die ihre Wohnungen bis zur Unbewohnbarkeit hochsanieren. Wir sind dazu in der Lage, einfach mal Fünfe gerade sein zu lassen und soziales Mitgefühl durch Appelle und straffreie Kommunikation wieder hervorzubringen. Die Resozialisierung kann auch schon vor dem Knast stattfinden.

Liebe Luise, lieber Fritz, als Abschluss möchte ich das Zitat des Philantropen Bill Gates stellen: Mehr Miteinander als Gegeneinander.
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