Mittwoch, 17. April 2019
Ein grosser Tag für das Handwerk
sollte man sich entschließen, die Kathedrale von Notre Dame wieder aufzubauen. Eine große Herausforderung für Glaser, Maurer und vor allem Zimmermänner, die in einer Welt ohne Vollholz und Steinmauern nicht mehr viel zu tun haben. Man könnte fast glauben, es wäre ein Hilferuf des katholischen Gottes, dessen erdgewordener Sohn wohl auch Zimmermann gewesen sein soll, den man heute nicht mehr vor Pilatus, sondern höchstens noch vor das Insolvenzgericht zerren würde.

Mich wundert ein wenig, was die Presse in Zeiten der Stahlbeton-Glas-Architektur so ausspuckt. Als hätte man in den vielen Jahrhunderten nach der Errichtung dieser Kathedrale nicht immer wieder mal ein handwerklich interessantes Gebäude bauen können. Gehen Sie heute mal vor die Tür und suchen einen Erker oder einen Dachreiter. Selbst Dachstühle sind in Zeiten der Würfelarchitektur rar geworden, wo selbst ein Wetterhahn auf einem Flachdach nicht wirklich zu Geltung käme. Ein Rundbogen aus gehauenem Stein? Allerhöchstens die Kathedralen des Geldes werden heute noch mit dünnplattigem Marmor aus China verkleidet. Der Rest darf sich glücklich schätzen, wenn er zwischen verputzen Ziegeln wohnen darf und nicht begraben unter Betonplatten.

Der einzig brauchbare Beitrag, der mir im Internet untergekommen ist (wie so oft), lässt sich bei Don Alphonsos Rebellemarkt nachlesen, der ein wenig Licht unter die Kuppel des Herzens Europas dringen lässt. Im Grunde hätte es uns mehr gebracht, wenn Notre Dame der von den französischen Revolutionären umfunktionierte Tempel der Vernunft geblieben wäre, oder wie später ein Weinkeller, und nicht von geschmacklosen Hostien und ekelhaftem Messwein beseelt.

Wir von der hartenlinie bleiben da bescheiden und schlagen vor, den Rest auch noch einzureissen und darauf einen Biergarten zu errichten, um sich nach vielen Bieren, der Währung der Zukunft, weil man es nicht aufheben kann, des mentalen Widersinns gewahr zu werden.

" . .. ein aufheulendes Auto, das auf Kartätschen zu laufen scheint, ist schöner als die Nike von Samothrake ... Wir wollen die Museen, die Bibliotheken und die Akademien jeder Art zerstören ..." wie das am 20.Februar 1909 in Paris erschienene Futuristische Manifest von Filippo Tommaso Marinetti zu berichten weiß. Das möge man sich in diesem Biergarten zu Gemüte führen und mal nachsinnen, was für ein unüberwindlicher Hirnriß sich da aufgetan hat zwischen dem, was wir sagen, und dem, was wir tun. "Mögen also die lustigen Brandstifter mit ihren verkohlten Fingern kommen! Hier! Da sind sie! ... Drauf! Legt Feuer an die Regale der Bibliotheken! . ..", so Marinetti - einem hochaktuellem Manifest von vor mehr als hundert Jahren.

Frankreich trauert um eingestürztes Kirchendach, während es fleissig zusammen mit den Saudis den Yemen-Koflikt mit Waffen füttert und in Libyen General Haftar gegen Tripolis führt. "Wir wollen den Krieg verherrlichen — diese einzige Hygiene der Welt -, den Militarismus, den Patriotismus ..." schreibt Marinetti eben auch in seinem Manifest.

Frankreich trauert natürlich nicht um die vielen Augen, die es seinen Gelb-Westen-Bürgern mit Hartgummigeschossen aus der Augenhöhle schießt. Ebensowenig wie es - und mit Frankreich ist natürlich nur gemeint, wer ein saftiges Ein- und Auskommen hat - seinen darbenden Banlieues den ein oder anderen Franc oder Euro gönnt, während es nicht warten kann bis das Feuer aus ist, um schon hunderte Millionen an Spenden gesammelt zu haben, um ein abgebranntes Kirchendach wieder zu errichten.

Ich möchte auch darauf hinweisen, dass dieser Blogeintrag nicht ohne Grund unter der Rubrik "Die heilige Lanze brechen" läuft. Ich kann nur hoffen, dass es möglichst viele Reliquien mit in den Feuertod gerissen hat. Wie pervers, die Dornenkrone eines Gekreuzigten über zweitausend Jahre anzubeten, als wäre es das von der ersten Menstruation eingeblutete Unterhöschen der ersten Liebe. Und mögen auch die Knochen in den Gruften eingeäschert worden sein, mögen die Knochen Napoleons ihren ewigen Frieden gefunden haben, den er anderen nie vergönnt hat, daß wenigstens die ein oder andere Hirnzelle frei wird, um mal dran zu denken, daß sich ein gutes Leben nicht auf der Knechtschaft und dem Leid anderer errichten lässt. Und ein Kirchendach eben auch nicht.
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