Montag, 27. April 2015
Elterntagebuch eines Mannes - Erziehung 2.015
Erstmal danke an alle, die mir vorgestern nicht zum Geburtstag gratuliert und mir damit wertvolle Lebenszeit gespart haben. So ein Geburtstag hat nämlich nur 24 Stunden und die will man nicht mit telefonieren verbringen. Aus dieser Misere heraus sind ja auch die Geburtstagsfeiern enstanden, wo alle eingeladen sind, nur dass sie einen nicht mehr anrufen, und man sich selbst so besäuft, dass das angereiste Sammelsurium auch schon egal ist.
Der Trend geht dahin, dass immer mehr Menschen diesen Tag meiden, in Urlaub fahren, Handy ausschalten und hoffen dass doch das ein oder andere brauchbare Geschenk per Post zugestellt wird. Mit der Neuen Austerität merkt man auch dass Gäste, vorwiegend die ärmeren Freunde, die einem fünfzig Kästen Bier wegsaufen, doch arg zu Buche schlagen. Der dazu in Relation gesetzte Gesamtwert der Geschenke ist geradezu ein Affront.

Gelobt also, wer auf einer einsamen Insel zur Welt kam und dort bleibt. Freunde lassen sich zwar auch in der Stadt vermeiden, aber Bekannte oder Kollegen wird man besonders im Urbanen nicht wirklich los.
Der Gedanke, dass die eigene Geburt unbedingt vermieden hätte werden müssen, kommt einem auch immer erst hinterher. Und schon hat man, schlimmer noch als Freunde, Eltern, Großeltern, Verwandte, Taufpaten und sonstiges Bezugsgesindel am Hals, die sich wie Griebelmücken festbeißen. Blutsaugerpack, das einem unter dem Vorwand der selbstlosen Liebe das letzte Tröpfchen Lebenssaft wegsäuft.

Die Idee zu diesem Blogeintrag kam mir kürzlich im Büro, weil wir genau dieses Dilemma umgehen wollen, indem wir mit unseren direkten Nachfahren einen konkreten Generationsvertrag schließen. Kinder ja, aber mit dem Primärziel, schnelles Austragen und Abstillen, dann massiv anschieben, dass sie spätestens mit 18 voll im Saft stehen. Das Anschieben muß nicht zwingend finanzieller Art sein, dann ist später auch nicht das Rückzahlbedürfnis so hoch, aber man muss sie auch nicht, wie in Österreich üblich, in den Keller einsperren, wo sie anschließend freiwillig ein eigenes Zimmer suchen.

Ein von klarer, weil ehrlicher Liebe getragener Lebensabschnitt, woraus gerne auch eine Freundschaft entstehen kann, wo man sich gegenseitig öfter mal aus Patsche hilft ...

Rauchen ist bei mir inzwischen so einkonditioniert, dass ich letztens, anstatt eine Zigarette anzuzünden, mir auf den Bürosessel gepisst habe. Es war das Gefühl "mal ne kurze Pause machen", Zigarettenpause eigentlich. Aufstehen, Hose runter, umdrehen und loslassen. Schon war's geschehen, um den guten Bürosessel. Uringetränkt und bedeppert steht er da und schämt sich selbst in Grund und Boden. Der arme Stuhl.
Bis man das dann wirklich realisiert. Hab ich mir doch glatt auf den eigenen Stuhl gepisst. Und dann all die Gedanken an die Schulzeit, 4.Klasse, zum Glück letzte Reihe, als es mal durch die Hose auf den Stuhl wollte. Traumabewältigung in der Pinkelpause, äh, Zigarettenpause.

Glücklicherweise ist es keinem der Kollegen aufgefallen. Und weil das Glück oft in Serie kommt, kam nachmittags noch meine Frau mit meinem Sohn auf einen Sprung vorbei, dem ich das Dilemma in die Schuhe, bzw in die angeblich nicht vorhandene Windel schieben konnte. Mit seinen zweieinhalb Jahren kann er auch nichts richtigstellen und so waren die Dinge wieder im Lot und ich um eine Erfahrung reicher.

Der arme Kleine und unsere noch ärmere noch Kleinere mit den kleinen Armen, mit denen sie zu einem richtigen Rundumschlag noch nicht so recht in der Lage sind, müssen nun so einiges auf sich nehmen, nachdem wir das althergebrachte Erziehungskonzept radikal umgestellt haben. Man möchte ja nicht die Fehler der eigenen Eltern wiederholen. Unser Konzept lässt sich grob in seelische und körperliche Maßnahmen unterteilen.

Vorab zum Seelischen: Wir haben die ProKopfVerschuldung bei unseren Kindern vom Konto abgebucht und mit der Steuer überwiesen. Leider war vorher nicht viel drauf - wir halten nichts von Taschengeld - so ist es jetzt eben bei rund 3000,- Miesen. Naja, auf diese Art und Weise lernt man den Umgang mit Geld, also dessen Negativform, Schulden im Falle unserer Kinder, gleich von der Pieke auf. Prokopfschuldenbefreit.

Zudem haben wir, selbst überzeugte Atheisten, unsere Brut so früh als möglich taufen lassen. Am liebsten wäre mir ja so ne Art Kombi wie Wassergeburt mit Taufe inklusive gewesen. Der Pfarrer war hellauf begeistert von meiner Idee. Irgendwie logisch bei diesen Seelenhäschern. Vom Mutterschoss in den Schoss der Kirche. Aber Hebammen sind da irgendwie empfindlich.

Im Mutterleib taufen geht scheinbar nicht, also musste ich die gefährliche Fahrt mit dem Frischgeborenem zum Taufbecken in Kauf nehmen. Nun aber können unsere beiden Kleinen bei der ersten Beichte gleich ihre Erbsünde gestehen und Einlass in die etwaigen Himmelspforten ist ihnen gewiß. Weil sie noch so jung sind, ist es dann mit zwei drei Vaterunsern und einem Ave Maria hinterher getan. Damit bleiben ihnen später jedenfalls die Kosten für eine Walfahrt erspart. Und wenn sie später ihre Termine für Risikosportarten auf einen Sonntagnachmittag legen, kurz nach dem Beichten, stehen sie mit größter Wahrscheinlichkeit vor einer mir eher unwahrscheinlich erscheinenden Himmelspforte. Naja, der Kostenfaktor multipliziert mit dem Wahrscheinlichkeitskoeffizienten ergibt für mich immer noch ein klares Ja.

Unserer Kleinen, Cindy Melodie, haben wir gleich mal als Baby die Brüste mit etwas Implantat aufgepeppt. Und, wie das bei Kleinkindern nun mal so ist, auch gleich das Fett etwas absaugen lassen. Nicht wegen GermanysNextTopmodel, sondern weil man sonst garnicht sieht, um was es sich so handelt. Mädchen oder Junge? Rosa Kinderwagen könnte ja auch ein Fehlkauf gewesen sein oder weil man ihn eben geschenkt bekommen hat. Da muss nicht zwangsläufig ein Mädchen drinliegen.
Aber mit ner kleinen OP ist sie fast von Geburt an ein ganzer Mensch.
Beschneidung für den Kleinen wollte mir nicht so recht einleuchten. Die Kasse zahlts nicht, also scheiß drauf. Soll er doch selbst blechen, wenn ihm das mal wichtig wird.

Wenn man das noch etwas weiter denkt, könnte man auch gleich Steißbein und Blinddarm mitrausnehmen. Gewicht sparen, dass es nicht so zu Lasten der Karosserie geht. Ich würd mir auch gleich beide kleinen Zehen abnehmen lassen. Paßt man besser in die Adidas-Sneakers und spart sich im Alter das umständliche Zehennägel schneiden, statt 10 nur noch 8.

Und weil wir stets linear zukunftsorientiert denken und planen, wollen wir die Austragszeit für unser Drittes von neun auf acht Monate reduzieren. Frühling ist doch was Schönes und auch schneller wieder aus dem Haus. Also aus wirtschaftlicher Hinsicht ein Muss. Die Avantgarde der Frühgeburt, damit sind wir ganz vorne dabei und könnten vielleicht sogar noch die Chinesen abhängen.
Kein Wunder, dass man eine Laktoseallergie kriegt, wenn man fast ein Jahr faul im Bauch herumschwimmt und dann nicht mehr von Mamas Eutern lassen kann. In einem Alter, wo andere früher schon am Frästisch oder unter Tage ihren Dienst für das Volk leisten konnten. Wie soll sich in einer solchen Eierschale auch nur das kleinste Ehrgefühl entwickeln. Stolz auf die Eltern vielleicht, aber auf was sonst?

So aber sollte es klappen. Kinder kriegen und die Zeit danach 2.0. Das Geburtstagsgeschenk von Oma war, dass ich die beiden vorgestern frühmorgens bei ihr abliefern durfte. Ein voller Tag Partnerglück, denn wir planen schon das Dritte. Jetzt wo wir schon all die Ausrüstung haben. Literarisch wäre natürlich nach ihm und ihr ein Es schon perfekt.
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