x
... hat versucht, mich anzurufen. Unmittelbar nach meinem Ansagetext summt seine Brummbärstimme einen x-beliebigen Namen auf meine Maschine. Ich war verrückt neben ihm, ich war verrückt nach ihm, ich bin verrückt ihn immer noch zu lieben, beziehungsweise auch nur eine Flanke meines Herzens ihm gegenüber offenzulegen.
Wie ist er nur an meine Nummer gekommen? Und obwohl mir klar ist, dass es nun kein Verstecken mehr gibt, beginne ich alles zu verriegeln und verrammmeln, alle Leitern umzustossen und alle Kabel rauszureissen. Sein unentrinnbares "Meld dich doch mal" lässt mich dabei durch mein Appartment straucheln als wandelte ich unter Vollnarkose. Wollen Sie die Ansage löschen, drücken Sie die 8.
Beim anschliessendem Versuch, den Nussschnaps noch vor dem Konsum zu vernichten, verschmilzt meine Clobrille als sich dieser entzündet mit der Schüssel und den Fliessen. Warum eigentlich Brille, wo es sich doch nur um ein Loch handelt, ein jetzt geschmolzenes Clo-Monokel. Mein Schicksaal ist ein Hirnstrom. Ich muss ihn noch nicht mal mehr trinken, um von ihm berauscht zu sein, so verfallen bin ich ihm.
Es gibt den ein oder anderen Tierliebhaber unter den Soziopathen. Menschen, denen jegliche Art der Emphatie fremd ist, die sich aber durchaus für einen Sonnenuntergang oder ein schönes Abendessen im Familienkreis begeistern können. Doch dafür wird x nicht all die Etagen zu mir nach oben eilen, um mit mir die Aussicht zu geniessen. Seine Prinzipien lagern auf einem Schweizern Nummernkonto und sein Herz ist nach der Kinderverschickung nicht mehr aufgetaucht.
Die Luft ist dünner hier im 14.Stock und dümmer. Selbst die aufsteigende Warmluft ist blass an Information von der Erdoberfläche. Das sind tagtäglich 28 Stockwerke mehr zur Arbeit und zurück, die arbeitsrechtlich noch nicht einmal zum Arbeitsweg zählen, denn der beginnt bei der Haus- und nicht bei der Wohnungstür. Das Tagwerk dieses ehemaligen Sozialstaates liegt auf der Strasse wie toter Hund, weil selbst der Mindestlohn seinen Preis nicht mehr wert ist. Wer sagt, davon könne man leben, der soll mir den entsprechenden Billigdiscounter mal zeigen, wo Butter noch unter einem Euro zu haben ist. Aber die Arbeiterschaft bekommt Magarine aufs Brot, weil sie eh schon so fett ist - von Zero Cola und Chips.
Lohnsklave aus dem 14.Stock. Glücklicherweise ist mir dieses Schicksaal nicht beschieden. Dafür hatte ich frühzeitig gesorgt. Frühzeitig, da ich schon um 3 Uhr morgens auf den Beinen war, um als Kätzchen unter Katzen am
Gatter vorbei bei
Arno auf ein morgendliches Schnäpschen einzulaufen und noch vor der Haushälterin wieder abzuwanken.
Direkt aus dem Traum an den Zettelkasten und der Lohn des Rausches in der Heide erklären auch, warum ich als Schwerstalkoholikerin hier die ganze Treppenlast auf mich nehme. Mit Aufzug ist es einerlei, ob ebenerdig oder ganz oben. Im 14.Stock lebt man noch abgeschiedener als in der Heide.
Sie glauben doch nicht, dass er die 6 Flaschen in der Woche allein getrunken hätte. Im Steinbruch der Sprache Wortbrocken zu hacken, das ist ein Knochenjob. Mit der Schrift herausarbeiten, was man eigentlich sagen möchte. Ha! was sagen, ich, die ich das Denken nicht gelernt, die ich von der Flasche zum Wort zur Tat und letztendlich wieder zur Flasche. Dem Nussschnaps kann man zumindest nicht nachsagen, dass er die Sicht behindere wie schwerer Rotwein. Klarer Spirit, transparent und eindeutig in seiner Aussage. Ein Getränk mit Durchsicht.
Da nagelt ein
Martin Henkel seine Anti-Schmidt-Thesen an den Dom von Bargfeld. Ein klassischer Kritiker, der sich als Aasgeier von totem Fleisch ernährt, dem er selbst das Gütesiegel verwehrt. Das ist doch zum Trauern, dass ich den Schnaps nun verschüttet, beziehungsweise verbrannt habe, um mich aus diesen Gedankengängen wieder zu lösen, aus den engen Gehirngassen, die mich geradezu in die Arme von x treiben. Bei dieser Art von Henkelscher Antithese ist an eine Synthese nicht zu denken. Ich erinnere mich zunehmend wieder an meine frühere Tätigkeit mit x, als wir den Versuch starteten, die Welt durch Folter zu retten.
Dem Einzigen, Arno Schmidt, der den 3.Weltkrieg 1955 vorhergesehen und ihn als einziger erlebt hat, ans Bein zu pinkeln, heisst sein eigenes literarisches Todesurteil zu unterschreiben. Ich stelle mir vor, ein berühmter Toter zu sein und den letzten Läufer im Mo-der-ne aus der Vogelperspektive zu betrachten, zermahlen zu Farbe auf dem Schattefresko dieser elenden Republik.
Es gibt nun nur noch einen Weg aus meiner Wohnung im 14.Stock und der führt über das Telefonkabel. Auf den eigenen Eierstöcken brütend, warten im Lande Katatonien - auf eX.