Samstag, 11. Januar 2014
Sich schön trinken
Vielleicht darf ich mal ein wenig von der Korrespondenz veröffentlichen, die ich von meinem einzigem Liebhaber - zumindest dem einzigen, an den ich mich über die Jahre hinweg erinnern kann - so bekomme.
Denn vielleicht lässt sich dadurch besser verstehen, warum ich jetzt noch schnell ein paar Humpen kippen muss, um dann realistischer rüberzukommen, wo er doch angedroht hat, dass er gleich anruft.

Ich kam heute noch nicht zu mehr als zwei Bier. Ja, das gibts. Stress - wem erzähl ich das in diesem Jahrtausend. Und das merkt er dann und wird sauer. Eifersüchtig. Nicht auf die Nüchternheit, sondern auf die Tatsache. Es wäre geradezu, als hätte ich mir in seiner Abwesenheit zum ersten mal die Fingernägel lackiert. Das macht Männer skeptisch, argwöhnisch. Denn was man nicht für sie tut, tut man für andere Männer - niemals für sich selbst.

Sorry wegen gestern. Es waren wohl die vielen kleinen Biere, dass ich am Tresen auf die falsche Seite gekippt bin. Ich darf dir aber versichern, dass dieser zufällig weibliche Tresenanbau nicht mal im zu kurz geratenem Ansatz mein Fall gewesen wäre. In einem Männerleben - das kannst du natürlich nicht nachvollziehen - fällt man in vielerlei Schößchen ohne gleich bei allen hängenzubleiben. Ich bin einfach am falschen Ort eingeschlafen. Das kann man jemandem doch nicht zum Vorwurf machen. Auf Strassengräben warst du bisher auch nicht eifersüchtig. Ich liebe dich Schatz und hab uns vorsorglich für heute abend gleich mal zwei Kästen mit Muskelkraft ins Haus geschleppt.

Also husch husch zum Kasten und zwei handwarme Halbe zwischen die Kiemen, sonst kann ich am Telefon nicht anders als leicht mürrisch und verhalten mir sein Gewäsch anzuhören. Es interessiert mich nicht wirklich, was er so über sich und über sich zu erzählen hat. Zum Glück muss ich mich am Telefon aber auch nicht mit der Tatsache auseinandersetzen, dass er mich körperlich nicht wirklich anspricht. Er liebt mich und das reicht mir. Ach, was sag ich, er mag mich irgendwie, aber Hauptsache er will mich besitzen. Das geht für mich weit über die alltägliche Liebe hinaus. Männer lieben auch keine Autos um ihrer selbst Willen, sondern sie wollen sie besitzen. Ich fühl mich da im Moment wie ein Auto in der Werkstatt: wenn es nicht da ist, fehlt es am meisten.

Ich renne hinter meiner Vorhaut her wie ein gehirnamputierter Schwanz. Durch die Stadt kreuz und quer. Und such dich. Rein in jede Kneipe vor der sich Raucher drängen. Kneipe um Kneipe durch die Grosstadtviertel. Und das alles nur für dich. Sag mal, kannst du dir nicht ne Stammkneipe zulegen wie das normale Menschen tun, dass man sie auch findet. Normale Menschen suchen in Kneipen auch Bier und nicht, wie ich Volltrottel, Dich. Ich liebe dich, Schatz. Aber du strapazierst meine vom Alkhol weichgewaschene Geduld.

Pressen, pressen. Zwei Halbe, dass er nicht denkt, ich wäre wegen einem anderen so nüchtern, dass er nicht das Gefühl bekommt, als wäre ein fremder Stecher zwischen mich und mein Bier gerutscht. Mit zwei Presshalben das Bild der klassischen Maria Becker nachzeichnen, so wie sie allseits rundum bekannt und mancherorts auch beliebt ist. Das gesunde Mass bei Affären wie der unseren ist, ihm immer ein Bier hinterher zu sein. Er immer voraus, aber ich immer in seiner Nähe. In seinem Windschatten trinken sozusagen. Obwohl ich guten Grund hätte, da auch mal rauszutreten, wie die mails und sms-Auszüge vielleicht zeigen.

Fick diich du Huer (Das war dann der Abend seiner Betriebsfeier. Ich vermute, nur versehentlich an mich geschickt. Aber schön, dass er mir das so offen schreibt. Die Kombi von Besoffenen und Kontaktlisten bringt mehr ans Licht als die NSA.)

Worte meines Liebhabers, der meine mails im Spamordner verwahrt. Ich könnte mir vorstellen, derzeit wegen dieser Huer.
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