Montag, 28. Januar 2013
Geist und Bau - eine Achterbahnfahrt durch das Dasein des Kabelkanals
Wie wir das in ...baustellen.blogger.de... so schön verfolgen können, ist das Lochbohren und Hämmern des avancierten Heimwerkers kein so zweidimensionales Vor-sich-hin-Basteln wie wir das aus unseren Kinderzimmern kennen. Es geht um mehr, es muß am Ende auch irgendwie funktionieren, und manchmal geht es auch um alles, wie im Falle der Glühbirne, die in ihrer dialektischen Erscheinungsform entweder leuchtet oder nicht. So stellt sich mir als Träger des goldenen Schweißtropfens und des kupfernen Schmutzkübels ein scheinbar so einfaches Problem viel komplexer dar als es sich der von Wünschen durchdrungene weibliche Volkskörper vorzustellen in der Lage ist. "Mal schnell eine Steckdose oder ein zusätzlicher Lichtschalter einbauen ...". Das wird nicht drangeklebt, sondern es wächst aus dem Inneren des Hauses durch Zuhilfenahme von Materialien, Werkzeugen und viel Physe und Psyche.
Bei größeren Projekten erleben wir leider nur selten, wie Physik und Psyche eins werden. Die großen Momente des Hausbaus, das Aufgehen der Probleme im Nirvana, wenn sich die Lösung schon vor dem Problem findet, wenn die Verkabelung der Wechselschalter für das Treppenlicht gleich auf Anhieb klappt, wenn die Mörtelmasse diese cremige Konsistenz Sahnetorte erreicht, ein Himmelgrau das schon beim ersten Kellenwurf wie ein Einsiedlerkrebs im Mauerschlitz verschwindet. Aber das tut es eben nur in den seltensten Fällen.
Im ungünstigerem Fall merken wir wie dünn unsere eigenen Nervenleitbahnen sind. Die Hände zerkratzt vom Kupferdraht stopfen wir die letztendlich zu kurz verkabelten ...Vago...klemmen in die Leerdose. Der Gips bricht und wir stehen da, sozusagen mit einer Kabelsalatschüssel in Händen. Ich merke, daß auch wir mindestens zweiphysig sind, ein Gemisch an Gefühlen so bunt wie der Kabelsalat in Gipsdressing. Trauer, Wut und Frust, multipolig und schlecht abgesichert.
Neun abgeklemmte Drähtchen in den Landesfarben Schwarz Blau Gelb, deren spitze Enden die Hände zu einer Kraterlandschaft werden lassen, schauen vielversprechend aus dem Leerdöschen, aber kein einziger führt Strom - selbst nach mehrmaligen Joggingausflügen zum Sicherungskasten zwei Etagen tiefer.
Unglaube, ist auch so ein zentrales Gefühl bei Mißlingen. Gestern war da noch Wechselstrom drauf, heute noch nicht einmal ein wenig Kriechstrom.
Die Hände zerstochen wie Lazarus von den Kupferdrähten Elektrons sind wir nun bereit zum Verputzen der Kanal- und Dosenlandschaft. Für den leidenschaftlichen Mörtler bräuchten die Arbeitshandschuhe keine verstärkten Fingerspitzen, die schon lange taub sind vom Kalk. Keine Fingerabdrücke mehr, sondern das weiße Rauschen einer verätzten Hautoberfläche. Die Handflächen, ebenso angegriffen von Kalk und Zement, jetzt Körnungstyp 120, mutieren zum menschlichen Multischleifer.
Damit läßt sich einiges Schleifpapier sparen und man spürt zumindest mit diesem sensiblen Organ kaum mehr Schmerz. Nach Arbeitsschluß ist es etwas doof, wenn sich die aufgerauten Hände im Ärmel verhaken oder die Bettdecke ständig dran hängenbleibt wie an einem Klettverschluß. Noch aber fingern wir im schon lehmigen Putz - mit diesen blauen Handschuhen, die im Sommer die unangenehme Eigenschaft besitzen, Buttersäure abzusondern. Immer noch besser, als abends in der Badewanne den Kalk, der sich bis dahin schon tief in die Haut gefressen hat, mit dem Glitzi-Schwamm wieder rauszuschürfen.
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