Montag, 30. April 2012
Aufschleusen a d Ruhr - mit Haken und Ösen
"Wir sind die Hannibal, Sportboot mit 12 Metern, und würden gerne aufschleusen."
"Muss noch nen Berufsschiffer abschleusen. Legt ma an der Spundwand vorne und achtern klar."
"Wos?!"
"Dat Boot an der Eisenwand mit de Seile anbinden!"
"Ok ..."

Hannibal hat grünes Licht - eigentlich zwei - kann einfahren und tut dies auch. Die Frau- und Mannschaft mit zittriger Hand vom Vorabend.
"Menno, ist das eng," als das Heck an die Schleusenwand kracht. Gut vertäut längsseits liegen wäre jetzt der Quell allen Seelenfriedens. Wir aber treiben hilflos wie ein räudiger Hund an der Vorleine, bis uns das gütige Schicksaal wieder mit dem Heck an die schleimige Schleusenwand presst und wir endlich auch dieAchterleine um den Poller bekommen.

"Allet klar?" tönt es hämisch aus der Videoüberwachung. Wir antworten wortlos mit dem uns verbliebenem Restlächeln, während der Schleusendrempel arschknapp an unserem eh schon ramponiertem Heck vorbeieiert.

Jetzt fühlen auch wir uns schiffig und schwojen halb verkatert, halb seekrank im einströmendem Wasser der Ruhr. Man könnte sagen, wir fühlen die Ruhr, die zu Wasser gewordene Shigellose - heute die Trinkwasserversorgung des Ruhrgebiets.
Kurzfristig sieht alles ganz gut aus.
Ups, warum läßt sich die Vorleine nicht fieren, sondern liegt friedlich, weil fest verzurrt mit einem engen Palsteg um den Schleusenpoller, der sich immer weiter in die Tiefe bewegt und uns demnächst auf den Schleusengrund zieht, dessen Wanne sich unerbittlich mit den Wassermassen füllt, die die gesamte Sahelzone über die Dürreperiode bringen könnte.

"Kappt die Vorleine!" für die sich natürlich keiner verantwortlich fühlt. Nicht die halbe Mannschaft, die sich im Schiffsrumpf in die Bewußtlosigkeit säuft, nicht die Damen in der Kombüse und ebensowenig die Kollegen vom Sonnendeck.

Einzig der Bootsführer, der allerdingshilflos in Vor- und Achterspring verwickelt sich mit den Zehen am Steuerrad einkrallt. Aber bei 12 Tonnen Gewicht hilft alles Stemmen und Drücken herzlich wenig.

"Volle Kraft zurück!" schreit einer der Besoffenen, die sich urplötzlich für das Geschehen an Bord interessieren. Der Keilriemen heult auf und der Motor übertönt all die gutgemeinten Ratschläge, die sich der Schleusenwärter aus der Kehle quält.
Die teuflische Vorleine endlich von einer der Kombüsendamen gekappt, wummern wir wieder quer und drohen uns an der Schleusenwand mit der Reling zu verhaken. Selbst das Bugstrahlruder zieht uns nur noch tiefer ins Verderben.
Scheiß auf den Bootslack, der doch so billig im Baumarkt zu bekommen ist. Besser Lack als Leck.

Wenn wir jetzt ein Hütchen und auch nur eine freie Hand hätten, die umherstehenden Schaulustigen würden nur allzu willig etwas zur Schadenssumme beisteuern. So schenken sie uns dennoch ein herzliches Johlen und für uns wird es nur ein teures Unvergnügen, das die nun gesamtaktive Crew mit allen noch nicht von Bord gegangenen Fendern abzufedern sucht. Wer kann sich in solchen Urmomenten noch an Webeleinsteg oder irgendeinen Knoten als an den im Hirn erinnern? Die letzte Scham geht Flöten und der Restverstand gleich mit, wenn es um die eigene Haut geht.

So tauchen wir auf aus der Schleuse als hätte sich Moby Dick mehrfach auf unser Boot geworfen. Unser Bootsführer sichtlich ergraut wie Käptain Ahab am Ende seiner Reise, die Crew verbeult wie der gesamte Bootsrumpf, mit gekenterten Gesichtern - schiffig und froh, lebendig aufgeschleust zu haben. Ahoi Ruhr.
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