Montag, 16. April 2012
Senegambia, Erdnüsse, britische Kolonialgrenzen und der Guinea-Wurm im Senegal
Die heimlichen Herrscher des Erdnussbeckens
Ich kann mich nicht entsinnen wirklich Erdnüsse gesehen zu haben, schließlich wachsen sie ja auch unterirdisch. Es scheint sich um ein ähnliches Prinzip zu handeln wie beim Kaffee in Guatemala, der im Land selbst eigentlich nur als dünne Brühe aus nicht-exportierten Restbohnen serviert wird. Dennoch ist Senegal einer der wichtigsten Produzenten von Erdnüssen.
Die Monokultur von Erdnüssen (weit über die Hälfte des Exports) macht das Land zu einem Importeur von Grundnahrungsmitteln wie Reis und Weizen.
Einer der Hauptprofiteure der verfehlten Agrarpolitik und des Niedergangs der Subsistenzwirtschaft ist Frankreich, das den Ausbau der Erdnussmonokultur vorantrieb und treibt, aber auch die sunnitischen Marabuts, die heimlichen Herrschern der Erdnüsse.

Selbst die zentralistische Regierung - nicht nur unter Abdoulaye Wade - ist aufs Engste mit den Entscheidungen der Sufibruderschaften verknüpt. "Ohne die Kalifen wäre Senegal nicht regierbar." Ihr politischer Einfluß reicht bis in die höchsten politischen und wirtschaftlichen Entscheidungen, die sich vorwiegend an den persönlichen Interessen der Marabuts orientieren denn an denen der Bevölkerung.
Seit Cheikh Ahmadou Bamba 1883 die Sufi Bruderschaft in Touba gründetete wuchs das Dorf mit 3000 Einwohnern zur zweitgrößten Stadt Senegals und die Sufi-Bruderschaft neben der Präsidentenfamilie zur einflussreichsten Gruppe Senegals, um das Land sozusagen in einer Zangenbewegung plündern.

So bleibt gesichert, daß an Senegals postkolonialen Küsten nicht mehr Fische, sondern nur noch westliche Exportgüter anlanden, und ausschließlich die Erdnüsse das Land verlassen.

Und wir wissen inzwischen, wie wichtig für uns die Preisstabilität im Supermarktregal ist und wie wichtig die Preisspirale für unseren Lieferanten. Wer möchte schon mehr als 99 Cent für eine Packung Erdnüsse bezahlen oder für tiefgerorenen Fisch von den Küsten Senegals?


Eintauchen in den "stinking fever-belt of Gambia" T.C.Boyles
Mit unserer Abreise aus Dakar Richtung Gambia verlassen wir die Küste im doppelten Sinne, da sich hier auch die Südgrenze der Sahelzone befindet, das "südliche Ufer der Sahara".

Ähnlich dem Guinea- oder auch Medinawurm zieht sich das englischsprachige Gambia von der Küste mitten durch den Senegal und teilt den Norden von der rebellischen Casamance im Süden. Die Volksgruppe der islamischen Wolof im Norden, die nach Unabhängigkeit sinnenden, christlich geprägten Diola im Süden - was die Problemlage etwas verkürzt und verfälscht (siehe amnesty-Bericht von 1998 und den aktuellen amnesty-Bericht 2011).
Die berüchtigte Art der Briten, durch die Ziehung fataler Landesgrenzen ihre ehemaligen Kolonien, nicht nur in Britisch-Westafrika, in fragile Staatsgebilde zu verwandeln, tritt hier deutlich zu Tage. Die Grenze erstreckt sich entlang des Flusses Gambia; links und rechts mit der Reichweite einer Kanonenkugel - wobei die Windverhältnisse die Flugweite an manchen Stellen beeinflußt zu haben scheinen.
Versuche die Problemlage zu entschärfen, wie die Schaffung einer Konföderation Senegambia, wurden konterkariert und waren nicht von langer Dauer. Bis und vor allem heute hat die Destabilisierung Westafrikas einen entscheidenden Einfluß auf die dadurch nicht unbedingt einfachere, so doch billigere Ausbeutung der Rohstoffe und den Drogenhandel, dem wir uns im nächsten Abschnitt der Afrikareise mit Hingabe widmen möchten.
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