Sag niemals So!
Daß man das nicht impfen kann, unglücklich verliebt. Eine schlimme Krankheit, die jede Alterstufe treffen kann und manchmal auch tödlich ausgeht. In nicht wenigen Fällen endet der Erkrankte als Schwerstalkoholiker oder einer anderen Art Waschlappen.

Sicher, es kommt schlagartig und wird ab dem Tag der Ersterkrankung zusehends besser. Manchmal stanzt es sich aber so tief ins Fleisch - immer weniger auch tätowiert - daß wir diese Lücke nie mehr schließen können. Die Alte, immer noch weg, und mit ihr hat auch die komplette Konkurrenz ihr Winterlager bereits bezogen. Geht eine, gehen alle. Das Gesetz der Anziehung von Massekörpern - bei Klassekörpern gilt dieses Prinzip nicht.
Man könnte sagen, ein Winter kommt nie allein.

So! Aus den Augen, aus dem Sinn! Doch Vorsicht, das bezieht sich nur auf bestehende Beziehungen. Sobald die Endgültigkeit den Schlußpunkt setzt, bleibt da ein Juckreiz im Tränenkanal. Sag niemals So! Denn ein großer Bestandteil sonst flüchtiger Erinnerungen konnektiert sich plötzlich an das überkommene System, es heftet sich, wie man bei uns sagt, der kranke Geist an den Schmerz. Und die wiedergewonnene Freiheit wird zum Gefängnis. Die Widerstandslosigkeit der neuen Freiheit macht plötzlich kein Spaß. So, endlich weg, endlich kann ich leiden. Heißt das, daß das Primat der schlechten Eigenschaften jetzt Oberhand gewinnen soll?

Sag niemals So! Denn sie könnte wiederkommen, wenngleich mit einem anderen Gesicht, einem anderen Geruch, aber nachts gefühlt die Gleiche. Dann wird das So! so butterweich und plasmatisch, daß wir automatisch das alte Betriebssystem wieder hochfahren. Kompatibel hin oder her, da scheißen wir drauf im Hoch der Gefühle.

Wir sind wieder ganz der Alte, nur etwas knöcherner nun. Wir wundern uns noch nicht einmal, daß die gleiche Gefängniszelle diesmal so einladend wirkt. Eigentlich wie auch beim ersten Betreten der Vorherigen. Und kaum will unsere Zellenwächterin uns die Handschellen lösen, schlagen wir die Tür zu, auf daß es ewig nur uns zwei noch gäbe. So!

So, weg! So, da! An, aus. An, aus. Auf ewig tritt die Buttermühle. So wird unbehandelte Frischmilch ranzig. Ultrahocherhitzt, wie das am Anfang aller Liebesbeziehungen so üblich ist, bleibt sie länger haltbar - möchte man meinen.

Vielleicht ist das Paar die letzte Trutzburg der Antike, das letzte Häufchen Elend, das es zu überqueren gilt - to step upon the dust of time. Das Pärchen als letzter Träger von Krankheitserregern und damit meine ich nicht nur die Syphilis. Krieg und Hungersnot, Mißbrauch, Schläge, Vernachlässigungen über Jahrmillionen von Generation zu Generation, über Volk, Sippe, Familie, Paar. Das ließe sich nun mit einem Fingerschnippen beenden.
Statt die Vorzüge des Individuums zu genießen wie einen großen Eisbecher, frieren wir uns die Finger dadurch ab, daß wir nur die Nachteile sehen.


jean stubenzweig am 28.Okt 11  |  Permalink
Das klingt,
als ob Sie gerädert und gevierteilt und anschließend geteert und gefedert worden wären. Haben sie als Jäger etwa nicht für eine ordentliche Haushaltsführung, für guten Braten gesorgt? Aber ach, es ist ja alles so anders geworden.

einemaria am 28.Okt 11  |  Permalink
Humba humba tätarä :(
unter beutelnden Heulkrämpfen muss ich Ihnen, von Jägerin zu Jäger, oder wie herum auch immer, gestehen, daß ich nun tags, wenn sie zur Lohnarbeit, ich mit der Kopie vom Zweitschlüssel ... eigentlich nur wegen der Unterhosen und der Gefriertruhe. Es mag ein wenig verloren wirken, wenn ich mir mit dem Schweizer Messer (auch nur Kopie) Tagesrationen von den gemeinsam eingekocht und -gefrohrenen Suppen und Soßen abhacke. Mit dem kleinen Rollkoffer wirkt es zumindest im Ansatz geschäft(sfäh)ig. Wie Sie sicher schon erraten hatten, bleibt dieser Raubzug fleischlos ... und das ist das Gute am Neuen: die aufgemotzte Fleischbeilage, Würstchensuppe mit Gemüse, Bolognese mit ausreichend Speckwürfeln etc. Wenn erstmal die Proteine wieder angefressen sind, ist es auch schon Sommer und ein neuer Kühlschrankverwalter findet sich allein durch die Schwerkraft wieder.

Mein neuer Ansatz ist und bleibt die letzte Zerstückelung der Beziehung. Dieser übelriechende Anflug von Glaube, diese im Grunde kirchliche Institution von Zweisamkeit, diese gewählte Isolationshaft im Sippenpack, endlich als das zu sehen, was es nun mal ist: als die nächste große Blase, sagen wir die eigentlich Gallenblase der Beziehungsgeflechte, das Pärchen.

jagothello am 29.Okt 11  |  Permalink
Philip Roth
sagt das so: Sie bestellte Schnecken und ich nicht. Wahrscheinlich stimmt das...

jean stubenzweig am 29.Okt 11  |  Permalink
Assoziativ
frage ich (mich?) angesichts des: Nono le bigorneau: Welche Art von (Paarungs-)Schnecke Carla Bruni ist? Gehört sie zur Gattung Reifes Fleisch?

jean stubenzweig am 29.Okt 11  |  Permalink
Asozialität
... diese im Grunde kirchliche Institution von Zweisamkeit, diese gewählte Isolationshaft im Sippenpack, endlich als das zu sehen, was es nun mal ist: als die nächste große Blase, sagen wir die eigentlich Gallenblase der Beziehungsgeflechte, das Pärchen.

Die Fernbeziehung hat anderen die Zweisamkeit (mehr oder minder) frischgehalten. Die engste Beziehung ist für einige die des Abstands. Zu früheren Zeiten befanden die sich allerdings in der Verbannung der Asozialität. Was heuzutage aufgrund verlangter sogenannter Flexibilität, einer Variante der Sklaverei, zunehmend als Geißel des Gemeinwesens beklagt wird, sind demnach Rudimente der kirchlich fundierten Gesellschaft?

jagothello am 30.Okt 11  |  Permalink
Hier wird
eine harte Linie gefahren. Ich versage mir (auch) daher weitere Schneckenassoziationen. Welk erscheint mir auch eher der Göttergatte.

sid am 30.Okt 11  |  Permalink
Ein Pflaster für Ihr Herz.

einemaria am 30.Okt 11  |  Permalink
Nein,
ein Pflaster für die Beziehungen und Pärchen! Bei meinem Herz gibt es nichts, das es wieder anzukleben gäbe. Außer vielleicht das Selbstmitleid, doch das entweicht unseren Körpern wie Schweiß und wir müssen nichts nachschütten, um seinen Haushalt wieder auszugleichen.

Auch das Rumgeschnecke empfinde ich als sehr der Geschichte zuträglich. Hätte selbst ein eingebrachtes Schneckenphoto nicht wieder von der Seite genommen. So müssen wir rätseln über die Form der Bruni-Schnecke.

Und, nu, wer hartelinie fährt, muß notfalls mit dem Panzer auch über sich selbst hinweg. Zum Glück ist das ja nur mein Vorname und hinten raus heißen wir alle gleich. Dafür soll heute alles nur in den schönsten Farben brillieren (vielleicht muss ich hierzu kopieren).

sid am 30.Okt 11  |  Permalink
Hach, ich wollte doch nur testen, ob Sie der schnell oder langsam Abreißtyp sind.

Für Beziehungen empfehle ich aktuell ganz viel GipsVerbandszeugs ; )

Ja, kopieren Sie mal...